Der Graf und die Diebin
Geschichte nicht zustatten kommen werden. Auch seine aufbrausende Art und sein Heldenmut werden ihm nicht viel helfen.“
Marguerite warf ihm einen vernichtenden Blick zu. „Er ist ein hervorragender Jäger und versteht eine Menge von Pferden und Jagdhunden.“
„Hunde – nicht schlecht“, meinte Roger. „Der König ist ein begeisterter Hundefreund. Fast immer hat er trockenes Brot in den Taschen, um seine Lieblinge damit zu füttern. Der junge Hitzkopf könnte sich in Versailles als königlicher Hundeführer nützlich machen.“
Marguerite verzog das Gesicht – was für eine Idee! Doch dann bemerkte sie, dass der Duc in vollkommenem Ernst sprach.
„Es ist deine Sache“, sagte sie kühl. „Ich hoffe für uns alle, dass du Erfolg haben wirst.“ Roger erhob sich. Das übliche Schäferstündchen würde heute ohne Zweifel ausfallen – die Lust darauf war ihm gründlich vergangen.
„Ich hoffe es auch, meine Liebe“, sagte er und verbeugte sich zum Abschied.
Jeanne hatte viel mit Nadine gestritten während der vergangenen Tage. O ja – die kleine Zofe war ihr ans Herz gewachsen, und sie war froh und glücklich, dass sie wieder bei ihr war. Aber Nadines Sturheit brachte Jeanne in Rage. „Niemals hat er so etwas getan, Mademoiselle. Ich kenne den Comte doch länger als Ihr. Nie wäre er zu so einer Gemeinheit fähig!“
„Ach, Nadine, du kleines Schäfchen. Ich weiß es leider besser. Also hör bitte auf, mir zu widersprechen.“
„Das kann ich nicht, Mademoiselle“, jammerte die kleine Zofe unglücklich. „Und wenn Ihr mich fortjagt – ich werde bis zum letzten Atemzug meinen Herrn verteidigen. Der Comte ist ein Ehrenmann....“
„Ein Betrüger ist er, Nadine. Verkauft hat er mich. Für seinen Aufstieg am Hof des Königs hat er mich an diesen Menschen verhandelt.“
Nadine weinte fast, aber sie gab nicht nach. „Das hat diese Frau getan, Mademoiselle. Nicht der Comte. Ich lege meine Hand dafür ins Feuer, dass der Comte nichts davon gewusst hat.“
Jeanne stampfte mit dem Fuß auf. „Du machst mich rasend mit deiner Halsstarrigkeit, Nadine. Kümmere dich um meine Frisur und höre auf, mir zu widersprechen.“
„Ja, Mademoiselle....“
Nadine wischte die Tränen ab, und Jeanne sah lächelnd zu, wie die Zofe mit geschickten Händen ihr langes Haar aufsteckte. Sie war so naiv, die kleine Zofe, sie glaubte immer noch an das Gute in dieser Welt. Jeanne war ihr nicht böse – im Gegenteil, sie war ihr dankbar. Die tagtäglichen Streitgespräche halfen ihr, den Kummer und die Enttäuschung zu meistern und sich einzureden, dass sie, Jeanne, auch ohne Christian würde leben können. Er sollte sie kennenlernen, dieser Verräter. Oh, sie würde ihm die Hinterhältigkeit eines Tages heimzahlen. Wer war sie denn? Sein Geschöpf? Seine Schachfigur? Oh nein – sie war Jeanne du Champs, und er würde sie noch kennenlernen! Der Chevalier las ihr nach wie vor jeden Wunsch von den Augen ab, nahm sie auf Spazierfahrten mit und stellte sie seinen Bekannten vor. Sie kleidete sich wie eine Adelige, speiste erlesene Köstlichkeiten, verfügte sogar über Geld für kleinere Einkäufe. Die Dienerschaft im Haus beeilte sich, ihre Anordnungen zu erfüllen. Jeanne genoss es, bewundert und anerkannt zu werden. Hier war sie längst nicht mehr das kleine Mädel aus dem Dorf – hier wurde ihr Respekt entgegengebracht, hier war sie die Herrin. Freilich bezahlte sie dieses neue Ansehen mit den Stunden dunkler und abgründiger Lust, die sie dem Chevalier täglich bereiten musste. Aber sie hatte ihre Träume begraben und griff trotzig nach dem, was das Leben ihr zu bieten bereit war.
Der Chevalier gab nur selten Gesellschaften, doch er hatte beschlossen, in diesem Jahr seinen Geburtstag mit einer großen Einladung zu feiern.
„Du, meine kleine Herrin, wirst die Königin dieses Festes sein“, sagte er und schob die Hand unter ihr Kinn, um ihren Kopf anzuheben und ihr in die Augen zu sehen. „Ich gebe dieses Fest, um dich zu zeigen, Jeanne. Alle sollen mich um dich beneiden.“
Sie lächelte scheinbar geschmeichelt. In Wirklichkeit gingen ihr seine Besitzerallüren schrecklich auf die Nerven. Dieses ständige an der Hand geführt werden, dieses präsentiert werden, und die neugierigen Blicke der Männer, denen er sie vorstellte. Sicher waren die adeligen Herren höflich und zuvorkommend zu ihr – aber insgeheim fragte sie sich, ob sie nicht alle wussten, auf welche Weise sie den Chevalier so glücklich machte.
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