Der Graf von Castelfino
dahin.
Schließlich machte sie sich an die Arbeit. Sie begann auszumessen und abzustecken, wobei ihr rasch warm wurde. Als Erstes schlüpfte sie aus den Sandalen und lachte vor Vergnügen auf, als sie das kurze, stachelige Gras unter den nackten Füßen spürte. Einen intensiveren Kontakt mit diesem großartigen Besitz konnte es nicht geben. Sie setzte Pflöcke und zog Schnüre, um die neuen Blumenbeete abzuteilen.
Bald klebten Hut und Hemd an ihr. Einen Moment lang zögerte sie und überlegte, ob sie es wagen konnte, die störende Kleidung loszuwerden. Forschend blickte sie sich um und stellte fest, dass niemand sie im Garten sehen würde. Zu Hause hatte sie oft in ihrer Unterwäsche oder im Bikini gearbeitet. Nun, die Pforte zu ihrem Paradiesgarten hatte sie abgeschlossen. Niemand konnte sie also überraschen.
Rasch zog sie ihre Oberbekleidung aus und ging wieder an die Arbeit. Nach einer Weile erfrischte sie sich mit einem Schluck Quellwasser aus ihrer Flasche. Sie war gerade dabei, ein wenig aufzuräumen, um zu überprüfen, ob die Realität mit dem Entwurf übereinstimmte, da wurde sie von einer schon vertrauten Stimme aufgeschreckt.
„Tragen alle englischen Gärtnerinnen so eine Arbeitskleidung, Megan?“
Sie wirbelte herum, und ihr Herz machte einen aufgeregten Hüpfer. Gianni stand da, ausgeruht und wieder Herr seiner selbst. Heute sah er so verführerisch aus wie damals auf der Chelsea Flower Show. Das versetzte sie genauso in Alarmstimmung wie seine abweisende Haltung vor ein paar Tagen.
„Was machen Sie denn hier?“, platzte sie heraus und verschränkte schützend die Arme vor der Brust in dem vergeblichen Versuch, sich zu bedecken.
Er nickte zum Herrenhaus hin. „Ich wohne hier, falls Sie sich erinnern.“
Meg war auf diese Begegnung nicht vorbereitet. „Tut mir leid, wie konnte ich das vergessen“, keuchte sie. Ihr Erröten erwies sich als stumpfe Waffe. Er musterte sie weiterhin mit unverhülltem Interesse.
„Mir scheint, als hätten Sie es tatsächlich vergessen“, meinte er anzüglich.
„Ich hätte nicht gedacht, dass ich hier drinnen gestört werde. Die Pforte war verschlossen, und ich besitze den einzigen Schlüssel. Wie in aller Welt sind Sie hereingekommen?“, brauste sie peinlich berührt, aber auch verärgert auf.
Lässig schlenderte Gianni zu dem alten Mispelbaum hinüber, an dem Meg Hut und Bluse aufgehängt hatte. Er pflückte die Stücke vom Ast und kam langsam auf sie zu. Meg war sich bewusst, dass er es offensichtlich darauf anlegte, sie zu provozieren. Doch sie war nicht in der Stimmung, mit sich spielen zu lassen. Sobald er in greifbarer Nähe war, schnappte sie sich die Sachen und streifte sie über. Fast amüsiert sah er ihr dabei zu. Dann zog er mit großer Geste einen Schlüssel aus der Tasche.
„Wie gesagt – ich wohne hier. Ich besitze zu allen Schlössern einen Zweitschlüssel.“
Meg sah inzwischen wieder gesittet aus und straffte sich. „Das erklärt aber nicht, warum Sie es für nötig hielten, hier hereinzuplatzen.“
„Ich hielt es nicht für nötig, ich wollte es. Ich wollte Sie wiedersehen, Megan.“
Sehnsucht flammte in seinen dunklen Augen auf, so stark, dass Meg seinem Blick kaum standhalten konnte, zumal sie befürchtete, er könnte ihre Gefühle von ihrer Miene ablesen. Deshalb senkte sie den Blick auf das stumpfe Gras unter ihren bloßen Füßen. Verwirrende Gedanken wirbelten in ihrem Kopf herum, doch nur einen einzigen vermochte sie in Worte zu fassen.
„Ich kann nur hoffen, dass Sie sich nun besser fühlen, Conte.“
Ein breites Lächeln überzog sein Gesicht. „Ich fühle mich tatsächlich besser. Aber nennen Sie mich doch bitte Gianni.“
Meg war versucht, sich geschmeichelt zu fühlen – bis ihr einfiel, dass er diese Ehre vermutlich seinem gesamten Personal gewährte.
„Ich bin auch gekommen, um Ihnen zu danken“, fuhr er fort. „Sie hatten natürlich recht. Bei Ihrer Ankunft war ich übermüdet. Seither habe ich nur geschlafen – und ein exzellentes Mahl verspeist.“
„Gut“, sagte Meg mit ehrlicher Erleichterung.
„Später erfuhr ich dann, dass das Essen Ihre Idee war. Was hat Sie veranlasst, die Köchin herauszufordern?“ Gianni hob lächelnd die Augenbrauen.
„Zurzeit scheinen Sie mit Ihren Gedanken ganz woanders. Essen steht gerade nicht ganz oben auf Ihrer Prioritätenliste, das ist mir klar. Zufällig erfuhr ich, dass Sie eine Internatsschule in England besucht haben. Und zufällig ist meine Tante
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