Der Graf von Monte Christo 1
warf.
»Dann Wein her!« rief Caderousse. »Ich will auf das Wohl Edmunds und der schönen Mercedes trinken.«
»Du hast schon zuviel getrunken«, sagte Danglars, »und wenn du fortfährst, wirst du hierbleiben müssen, da du dich nicht mehr auf den Beinen halten kannst.«
»Ich«, schrie Caderousse, in seiner Trunkenheit prahlend, »ich mich nicht mehr auf den Beinen halten können! Ich wette, daß ich noch, ohne zu schwanken, auf den Kirchturm steige.«
»Gut denn«, antwortete Danglars, »ich halte, aber für morgen; heute ist’s Zeit, nach Hause zu gehen. Gib mir den Arm und laß uns gehen.«
»Gehen wir«, stimmte Caderousse zu, »aber ich brauche dazu deinen Arm nicht. Kommst du mit nach Marseille, Ferdinand?«
»Nein«, antwortete dieser, »ich kehre ins Katalonierdorf zurück.«
»Sei nicht so dumm, komm mit nach Marseille, komm!«
»Ich habe in Marseille nichts zu tun und will nicht dahin.«
»Wenn du nicht willst, dann laß es. Des Menschen Wille ist sein Himmelreich. Komm, Danglars, laß den Herrn wieder ins Katalonierdorf gehen, da er’s will.«
Danglars machte sich den augenblicklichen guten Willen Caderousses zunutze und zog den Betrunkenen auf die Straße.
Caderousse taumelte, sich an Danglars klammernd, neben dem Rechnungsführer her.
Nach zwanzig Schritten blickte Danglars sich um und gewahrte, wie Ferdinand sich auf das Papier stürzte und es in die Tasche steckte. Darauf sah er den jungen Mann aus der Laube eilen.
»Nanu, was macht er denn?« rief Caderousse. »Er hat uns was vor-gelogen, er geht ja gar nicht ins Katalonierdorf, sondern nach der Stadt. Heda, Ferdinand, du irrst dich, mein Junge!«
»Nein, du siehst nicht ordentlich«, entgegnete Danglars; »er geht geradeswegs nach Hause.«
»Wahrhaftig, ich hätte darauf geschworen, daß er sich nach rechts wendete. Der verfl ixte Wein!«
»So«, murmelte Danglars, »jetzt, denke ich, wird sich die Sache ganz von selbst machen.«
D V
Rein und glänzend ging die Sonne am andern Morgen auf, und ihre ersten Strahlen übergossen mit Purpurglut die Kämme der schäu-menden Wellen.
Das Mahl war im ersten Stock der »Réserve«, mit deren Laube wir schon Bekanntschaft gemacht haben, angerichtet worden, und obgleich es erst für Mittag angesagt war, war doch schon um elf Uhr der sich draußen vor dem Saal hinziehende Balkon mit ungeduldig Hin- und Hergehenden erfüllt. Es waren Seeleute des »Pharao«
und einige Soldaten, Freunde von Dantès. Alle hatten ihre besten Kleider angelegt.
Unter den Anwesenden ging das Gerücht, daß die Reeder des
»Pharao« an dem Fest ihres Ersten Offi
ziers teilnehmen würden;
aber das war eine so große Ehre für Dantès, daß niemand daran zu glauben wagte.
Danglars indessen, der mit Caderousse ankam, bestätigte die Nachricht. Er hatte Herrn Morrel am Morgen gesehen, und der hatte ihm gesagt, daß er zum Festmahl kommen würde.
In der Tat trat bald nach ihnen Herr Morrel in den Saal und wurde von den Matrosen des »Pharao« mit einstimmigem Hurra empfangen. Die Anwesenheit des Reeders war für sie die Bestätigung des Gerüchts, daß Dantès zum Kapitän ernannt werden sollte, und da Dantès an Bord sehr beliebt war, dankten die braven Seeleute auf diese Weise ihrem Reeder dafür, daß seine Wahl diesmal zufällig mit ihren Wünschen übereinstimmte. Gleich nach Herrn Morrels Ankunft wurden Danglars und Caderousse nach dem Bräutigam gesandt, um ihn von der Anwesenheit des Reeders zu unterrichten.
Danglars und Caderousse eilten fort, hatten aber noch keine hundert Schritte gemacht, als sie schon den kleinen Zug herankommen sahen.
Dieser Zug bestand aus vier jungen Mädchen, Freundinnen Mercedes’ und Katalonierinnen wie sie, welche die Braut, die an Edmunds Arm daherschritt, begleiteten. Neben der Zukünftigen ging Vater Dantès, und hinter ihnen kam Ferdinand, auf dessen Gesicht ein böses Lächeln stand.
Weder Mercedes noch Edmund gewahrten dieses böse Lächeln.
Die beiden waren so glücklich, daß sie nur sich allein sahen.
Danglars und Caderousse entledigten sich ihrer Botschaft und schüttelten dann Edmund kräftig und freundschaftlich die Hand.
Danach trat Danglars an die Seite Ferdinands und Caderousse an die des Vaters von Dantès.
Caderousse hatte die Aussicht auf ein gutes Mahl wieder vollständig mit Dantès versöhnt; es war ihm von dem, was sich tags zuvor ereignet hatte, nur eine unbestimmte Erinnerung geblieben.
Danglars
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