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Der Graf von Monte Christo 1

Der Graf von Monte Christo 1

Titel: Der Graf von Monte Christo 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
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der ihm bekannt war. »Hier liegt jedenfalls ein Irrtum vor, mein Herr.«
    »Wenn ein Irrtum vorliegt, Herr Morrel«, antwortete der Kommissar, »so seien Sie versichert, daß er sofort wiedergutgemacht werden wird. Vorläufi g bin ich Überbringer eines Haftbefehls, und ich muß meine Pfl icht erfüllen, wenn es auch mit Bedauern geschieht.
    Wer von den Herren ist Edmund Dantès?«
    Aller Blicke richteten sich auf den jungen Mann, der sehr erregt, aber seine Würde bewahrend, einen Schritt vortrat und sagte:
    »Der bin ich, mein Herr; was wünschen Sie von mir?«
    »Edmund Dantès«, erwiderte der Kommissar, »im Namen des Gesetzes verhafte ich Sie!«
    »Sie mich verhaften …«, sagte Edmund, leicht erblassend. »Aber warum mich verhaften?«
    »Ich weiß es nicht, mein Herr, aber Ihr erstes Verhör wird Sie dar-
    über aufklären.«:
    Herr Morrel erkannte, daß sich unter diesen Umständen nichts machen ließ.
    Der Greis aber stürzte auf den Beamten zu und bat und beschwor ihn; aber Tränen und Bitten vermochten nichts. Die Verzweifl ung des Greises war jedoch so groß, daß der Kommissar davon gerührt wurde.
    »Beruhigen Sie sich«, sagte er; »vielleicht hat Ihr Sohn einige Formalitäten in bezug auf die Zoll- und Sanitätsvorschriften ver-nachlässigt, und sobald man von ihm die gewünschte Aufklärung erhalten hat, wird er aller Wahrscheinlichkeit nach wieder in Freiheit gesetzt werden.«
    »Oho! Was bedeutet das?« wandte sich Caderousse stirnrunzelnd an Danglars, der den Überraschten spielte.
    »Weiß ich es?« gab Danglars zurück. »Mir geht’s wie dir, ich begreife nichts von alledem, was vorgeht.«
    Caderousses Augen suchten Ferdinand; er war verschwunden.
    Die ganze Szene vom Tage vorher stand plötzlich mit erschrek-kender Klarheit vor ihm; die Katastrophe schien den Schleier, den die Trunkenheit über sein Gedächtnis geworfen hatte, zerrissen zu haben.
    »Oho!« sagte er mit heiserer Stimme. »Wäre das die Folge des Scherzes, von dem ihr gestern spracht, Danglars? Dann wehe dem, der ihn ausgeführt hat, denn es wäre ein sehr übler Scherz.«
    »Durchaus nicht!« rief Danglars. »Du weißt doch sehr gut, daß ich das Papier zerrissen habe.«
    »Zerrissen hast du’s nicht«, antwortete Caderousse, »sondern nur in die Ecke geworfen.«
    »Sei still, du hast nichts gesehen, du warst ja betrunken.«
    »Wo ist Ferdinand?« fragte Caderousse.
    »Weiß ich das?« erwiderte Danglars. »Wahrscheinlich hat er irgendwo zu tun; doch anstatt uns darum zu kümmern, laß uns lieber dem armen Dantès beistehen.«
    Dantès hatte während dieser Unterhaltung allen Freunden die Hand gedrückt und sich als Gefangener gestellt.
    »Seid ruhig«, sagte er, »der Irrtum wird sich aufklären, und wahrscheinlich komme ich gar nicht einmal bis zum Gefängnis.«
    »O gewiß nicht, dafür werde ich bürgen«, bemerkte Danglars, der in diesem Augenblick auf die Gruppe zutrat.
    Dantès folgte, von den Soldaten umgeben, dem Polizeikommissar die Treppe hinab. Ein Wagen mit geöff netem Schlage hielt vor der Tür; er stieg ein, zwei Soldaten und der Kommissar stiegen nach ihm ein, der Schlag fi el zu, und der Wagen fuhr nach Marseille davon.
    »Leb wohl, Dantès! Leb wohl, Edmund!« rief Mercedes ihm vom Balkon aus nach.
    Der Gefangene hörte diesen letzten Schrei, der sich wie ein Schluchzen dem zerrissenen Herzen seiner Braut entrang; er steckte den Kopf aus dem Schlag und rief: »Auf Wiedersehen, Mercedes!«
    Dann verschwand er um eine Ecke des Forts Saint-Nicolas.
    »Wartet hier auf mich«, sagte der Reeder: »ich fahre mit dem ersten Wagen, den ich treff e, nach Marseille und bringe euch Nachricht.«
    »Gehen Sie!« riefen alle. »Gehen Sie und kommen Sie schnell wieder!«
    Nach diesem doppelten Aufbruch herrschte unter den Zurückgebliebenen einen Augenblick lang eine schreckliche Bestürzung.
    Der Greis und Mercedes blieben einige Zeit, jeder in seinen eigenen Schmerz versunken; endlich aber begegneten sich ihre Augen, sie erkannten sich als zwei Unglückliche, die derselbe Schlag getrof-fen hat, und warfen sich einander in die Arme.
    Während dieser Zeit trat Ferdinand wieder in den Saal, goß sich ein Glas Wasser ein, trank es aus und setzte sich auf einen Stuhl.
    Der Zufall wollte es, daß Mercedes, als die Arme des Greises sie losließen, auf einen danebenstehenden Stuhl sank.
    Ferdinand machte eine instinktive Bewegung und fuhr mit seinem Stuhl zurück.
    »Er ist’s«, sagte Caderousse, der den Katalonier nicht aus

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