Der Graf von Monte Christo 1
Christo erstaunt an.
»Wie«, sagte er, »der Herr Graf wissen nicht, wo das Haus liegt, das Sie kaufen?«
»Nein«, antwortete der Graf.
»Der Herr Graf kennen es nicht?«
»Wie, zum Kuckuck, sollte ich es denn kennen? Ich komme heute morgen von Cadiz an, bin nie in Paris gewesen; es ist sogar das erstemal, daß ich den Fuß nach Frankreich setze.«
»Dann ist es etwas anderes«, erwiderte der Notar. »Das Haus, das der Herr Graf kaufen, liegt in Auteuil.«
Bei diesen Worten erblaßte Bertuccio sichtlich.
»Und wo liegt Auteuil?« fragte Monte Christo.
»Zwei Schritt von hier«, entgegnete der Notar, »etwas hinter Passy; reizende Lage, mitten im Bois de Boulogne.«
»So nahe!« bemerkte Monte Christo. »Das ist ja doch nicht auf dem Lande. Weshalb, zum Teufel, haben Sie mir ein Haus vor den Toren von Paris ausgesucht, Bertuccio?«
»Ich!« rief Bertuccio mit eigentümlichem Eifer, »nein, mich haben der Herr Graf nicht mit der Wahl dieses Hauses beauftragt.«
»Ah, richtig«, sagte Monte Christo; »ich erinnere mich jetzt, ich habe die Annonce in der Zeitung gelesen und mich durch die lü-
genhafte Bezeichnung ›Landhaus‹ verführen lassen.«
»Es ist noch Zeit«, fi el Bertuccio lebhaft ein; »und wenn Eure Exzellenz mich beauftragen wollen, mich anderswo umzusehen, so werde ich das Beste fi nden, sei es in Enghien, Fontenayaux-Roses oder Bellevue.«
»Nein, da ich dieses einmal habe, werde ich es behalten«, entgegnete Monte Christo nachlässig.
»Und Sie haben recht«, fi el der Notar, der sein Honorar zu verlieren fürchtete, lebhaft ein; »es ist eine reizende Besitzung: reines Quellwasser, dichtes Gehölz, bequeme Wohnung, wenn sie auch seit langem unbenutzt war; ganz abgesehen von dem Mobiliar, das, so alt es ist, seinen Wert hat, besonders heute, wo das Altertümliche so gesucht ist. Sie teilen gewiß den Geschmack der Zeit.«
»Es ist also etwas Anständiges?«
»Oh, mehr als das, es ist etwas Prächtiges!«
»Dann in Teufels Namen! Lassen wir uns die günstige Gelegenheit nicht entgehen«, erwiderte Monte Christo. »Bitte den Kontrakt, Herr Notar.«
Und er unterzeichnete schnell, nachdem er einen Blick auf die Stelle des Kontrakts geworfen hatte, wo die Lage des Hauses und die Eigentümer bezeichnet waren.
»Bertuccio«, sagte er, »geben Sie dem Herrn fünfundfünfzigtausend Franken.«
Der Verwalter ging mit unsicherem Schritt und kehrte mit einem Päckchen Banknoten zurück, das der Notar durchzählte.
»Sind nun alle Formalitäten erfüllt?« fragte der Graf.
»Jawohl, Herr Graf.«
»Haben Sie die Schlüssel?«
»Sie sind in den Händen des Hausmeisters, der das Haus bewacht; hier ist der Auftrag an ihn, Ihnen Ihr neues Besitztum zu übergeben.«
»Schön.«
Und Monte Christo machte dem Notar ein Zeichen mit dem Kopf, das besagte: Ich brauche Sie nicht mehr, gehen Sie.
»Aber«, bemerkte der Notar, »der Herr Graf haben sich geirrt; es macht alles in allem nur fünfzigtausend Franken.«
»Und die Gebühren?«
»Sind in dieser Summe enthalten, Herr Graf.«
»Aber Sie haben doch den Weg von Auteuil hierher gemacht?«
»Ja, allerdings.«
»Nun, da müssen Sie doch für Ihre Bemühungen entschädigt werden«, sagte der Graf, und er verabschiedete den Notar mit einer Handbewegung.
Der Notar zog sich zurück, indem er sich bis zur Erde verbeugte; es war das erstemal, daß er solch einen Klienten fand.
»Geleiten Sie den Herrn«, sagte der Graf zu Bertuccio.
Der Verwalter ging hinter dem Notar her. Kaum war der Graf allein, so zog er eine verschlossene Brieftasche hervor und öff nete sie mit einem kleinen Schlüssel, den er stets am Hals trug. Er blätterte einen Augenblick, verglich dann einige Notizen mit dem auf dem Tisch liegenden Kontrakt und murmelte:
»Auteuil, Rue de la Fontaine Nummer , das stimmt. Nun, in einer Stunde werde ich alles wissen.«
»Bertuccio!« rief er, indem er mit einem kleinen Hammer an eine Glocke schlug, die einen scharfen Klang gab. »Bertuccio!«
Der Verwalter erschien auf der Schwelle.
»Bertuccio«, sagte der Graf, »haben Sie mir nicht einmal gesagt, daß Sie in Frankreich gereist seien?«
»In gewissen Teilen Frankreichs, ja, Exzellenz.«
»Sie kennen jedenfalls die Umgegend von Paris?«
»Nein, Exzellenz, nein«, erwiderte der Verwalter mit einem nervösen Zittern, das Monte Christo, der sich auf die Äußerung von Gemütsbewegungen verstand, mit Recht einer lebhaften Unruhe zuschrieb.
»Das ist schade, denn ich will mir
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