Der Graf von Monte Christo 1
Juwelier.
›Vierzigtausend!‹ rief die Frau. ›Dafür geben wir ihn nicht her. Der Abbé hat uns gesagt, er wäre fünfzigtausend wert, und das noch ohne die Fassung.‹
›Wie hieß denn der Abbé?‹ fragte der Juwelier.
›Abbé Busoni‹, antwortete die Frau.
›Also ein Fremder!‹
›Es war wohl ein Italiener aus der Gegend von Mantua.‹
›Zeigen Sie mir den Diamanten, ich will ihn nochmals ansehen‹, sagte der Juwelier. ›Man beurteilt die Steine beim ersten Anblick oft falsch.‹
Caderousse zog ein kleines schwarzes Etui aus der Tasche, öff ne-te es und reichte es dem Juwelier. Beim Anblick des Diamanten, der die Größe einer Haselnuß hatte, funkelten die Augen der Frau vor Gier. Der Juwelier nahm den Ring, zog eine Stahlzange und eine kleine kupferne Waage aus der Tasche, löste den Stein aus der Goldfassung und wog ihn sorgfältig.
›Ich will fünfundvierzigtausend Franken geben‹, sagte er, ›aber keinen Sou mehr. Da dies übrigens der Wert des Diamanten ist, so habe ich gerade diese Summe mitgebracht.‹
›Oh, das hat nichts auf sich‹, meinte Caderousse, ›ich gehe mit Ihnen nach Beaucaire zurück, um die andern fünftausend Franken zu holen.‹
›Nein‹, antwortete der Juwelier, indem er den Ring und den Diamanten zurückgab; ›nein, er ist nicht mehr wert, und es tut mir auch leid, daß ich Ihnen so viel geboten habe, da in dem Stein ein Fehler ist, den ich vorher nicht gesehen hatte; aber einerlei, mein Wort soll gelten; ich habe fünfundvierzigtausend Franken gesagt und bleibe dabei.‹
›Fügen Sie wenigstens den Diamanten wieder in den Ring‹, sagte die Frau.
›Das ist nicht mehr als billig‹, erwiderte der Juwelier und setzte den Diamanten wieder ein.
›Gut‹, meinte Caderousse, indem er das Etui wieder in die Tasche steckte, ›da verkaufe ich ihn an jemand anders.‹
›Ein anderer wird aber nicht so willig sein wie ich‹, entgegnete der Juwelier, ›und wird sich nicht mit der Auskunft, die Sie mir gegeben haben, begnügen. Es ist sonderbar, daß ein Mann wie Sie einen Diamanten im Wert von fünfzigtausend Franken besitzt; er wird Sie anzeigen, der Abbé Busoni muß herbeigeschaff t werden, und Abbés, die Diamanten im Werte von zweitausend Louisdors ver-schenken, sind selten. Das Gericht wird den Stein an sich nehmen, man wird Sie einsperren, und wenn Sie für unschuldig befunden und nach drei oder vier Monaten in Freiheit gesetzt werden, gibt man Ihnen einen falschen Stein, der drei Franken wert ist, statt eines Diamanten von fünfzig- oder vielleicht sogar fünfundfünfzigtausend Franken, bei dessen Kauf man aber, wie Sie zugeben werden, ein gewisses Risiko läuft.‹
Caderousse und seine Frau befragten sich mit Blicken.
›Nein‹, sagte Caderousse, ›wir sind nicht so reich, um fünftausend Franken verlieren zu können.‹
›Wie Sie wollen, mein Lieber‹, antwortete der Juwelier, ›ich hatte jedoch, wie Sie sehen, schönes Geld mitgebracht.‹
Und er zog aus der einen Tasche eine Handvoll Goldstücke, die er vor den geblendeten Augen des Wirtes glänzen ließ, und aus der andern ein Paket Banknoten.
In der Seele Caderousses ging jedenfalls ein schwerer Kampf vor.
Er wandte sich an seine Frau.
›Was meinst du dazu?‹ fragte er sie leise.
›Gib ihn ihm‹, antwortete diese. ›Wenn er ohne den Diamanten nach Beaucaire zurückkehrt, zeigt er uns an, und wer weiß, ob wir den Abbé Busoni wieder auftreiben können.‹
›Schön denn‹, sagte Caderousse, ›nehmen Sie den Diamanten für fünfundvierzigtausend Franken; meine Frau wünscht aber eine goldene Kette und ich ein Paar silberne Schnallen.‹
Der Juwelier zog eine Schachtel aus der Tasche, in der sich mehrere der verlangten Sachen befanden.
›Da‹, sagte er, ›ich bin nicht knickrig, suchen Sie sich etwas aus.‹
Die Frau wählte eine goldne Kette, die fünf Louisdors wert sein mochte, und der Mann ein Paar Schnallen, die vielleicht fünfzehn Franken kosteten.
›Ich hoff e, daß Sie zufrieden sind‹, sagte der Juwelier.
›Der Abbé hat gesagt, er sei fünfzigtausend Franken wert‹, murmelte Caderousse.
›Na, hören Sie‹, sagte der Juwelier, indem er ihm den Diamanten aus der Hand zog. ›Welch schrecklicher Mensch! Ich zahle ihm fünfundvierzigtausend Franken aus, zweitausendfünfhundert Livres Rente, das heißt ein Vermögen, wie ich es mir wünschte, und er ist noch nicht zufrieden.‹
›Und die fünfundvierzigtausend Franken‹, fragte Caderousse mit heiserer
Weitere Kostenlose Bücher