Der Graf von Monte Christo
Rothühnern warteten, abermals ans Land. Die Jagd war schlecht, Franz schoß nur ein paar magere Hühner und kehrte übler Laune in seine Barke zurück.
Oh! wenn Euere Exzellenz wollte, sagte der Patron zu ihm, könnte sie eine schöne Jagd machen.
Wo denn?
Sehen Sie jene Insel? sagte der Patron, den Finger nach Süden ausstreckend und auf eine kegelförmige Masse deutend, die in den schönsten Farben mitten aus dem Meere aufstieg.
Was für eine Insel ist denn das? fragte Franz.
Die Insel Monte Christo, antwortete der Livornese.
Was für Wildpret werde ich dort finden?
Tausende von wilden Ziegen.
Die davon leben, daß sie an den Steinen lecken? versetzte Franz mit ungläubigem Lächeln.
Nein, davon, daß sie Heidekraut, Myrten und Brombeerstauden abweiden.
Aber wo soll ich schlafen?
Auf der Erde, in den Grotten, oder an Bord in Ihrem Mantel. Auch können wir, wenn es Eure Exzellenz so haben will, unmittelbar nach der Jagd wieder absegeln? sie weiß, daß wir bei Nacht wie bei Tag fahren können und neben den Segeln auch Ruder haben.
Da Franz noch Zeit genug blieb, um wieder zu seinem Gefährten zurückzukehren, nahm er den Vorschlag an und rief dem Patron zu: Also vorwärts nach Monte Christo!
Der Kapitän gab die geeigneten Befehle; man legte sich gegen die Insel und näherte sich ihr rasch. Je näher man kam, desto mehr trat das Eiland wachsend aus dem Schoße des Meeres hervor, und durch die klare Atmosphäre der letzten Strahlen des Tages unterschied man die Masse der aufeinander gehäuften Felsen, in deren Zwischenräumen das rötliche Heidekraut und die grünenden Bäume sichtbar wurden. Sie waren noch ungefähr fünfzehn Meilen von Monte Christo entfernt, als die Sonne hinter Korsika, dessen Berge rechts zum Vorschein kamen, unterzugehen anfing. Eine halbe Stunde nachher herrschte völlige Finsternis. Zum Glück befanden sich die Schiffer in einer Gegend des toskanischen Archipels, die sie aufs genaueste kannten, denn inmitten der Dunkelheit, welche die Barke umhüllte, wäre Franz sonst etwas beunruhigt gewesen.
Es war ungefähr eine Stunde seit Sonnenuntergang vorüber, als Franz auf eine Viertelmeile links eine dunkle Masse zu erblicken glaubte; doch es ließ sich durchaus nicht unterscheiden, was es war, und er schwieg, weil er dachte, es seien vielleicht nur schwebende Wolken, und die Matrosen würden ihn auslachen. Nun wurde aber ein Heller Schimmer sichtbar, und Franz rief:
Was bedeutet jenes Licht?
Still! sagte der Patron, es ist ein Feuer.
Ich glaubte doch, die Insel sei unbewohnt?
Sie hat keine feste Bevölkerung, doch dient sie manchmal als Aufenthaltsort für Schmuggler und für Seeräuber, fuhr Gaetano fort; deshalb habe ich Befehl gegeben, daran vorbeizufahren, denn das Feuer ist, wie Sie sehen, nunmehr hinter uns.
Mir scheint, dieses Feuer muß uns eher Sicherheit gewähren, als Unruhe verursachen; Leute, die gesehen zu werden befürchten, zünden kein Feuer an.
Oh! das will nichts sagen, entgegnete Gaetano; wenn Ihnen die Lage der Insel genau bekannt wäre, würden Sie wissen, daß dieses Feuer weder von Korsika noch von Pianosa, sondern nur von der offenen See aus bemerkt werden kann.
Ihr fürchtet also, das Feuer kündige uns schlimme Gesellschaft an?
Darüber muß man sich Gewißheit verschaffen, erwiderte Gaetano, die Augen beständig darauf heftend.
Hierauf beratschlagte Gaetano mit seinen Gefährten, und nach einer kurzen Unterredung wendete man stillschweigend das Schiff; nun war das Feuer nicht mehr sichtbar. Dann gab der Lotse dem kleinen Fahrzeug, das bald nur noch fünfzig Schritte von der Insel entfernt war, eine neue Richtung. Gaetano zog das Segel ein, und die Barke blieb stehen.
Dies alles war mit der größten Stille vor sich gegangen, und man hatte seit Änderung der Richtung keine Silbe an Bord gesprochen. Gaetano, der die Expedition vorgeschlagen, hatte auch die ganze Verantwortlichkeit übernommen. Die drei andern Matrosen wandten kein Auge von ihm, während sie die Ruder richteten und sich offenbar bereit hielten, die Flucht zu ergreifen, was bei der großen Dunkelheit nicht schwer sein konnte. Franz untersuchte seine Gewehre, zwei Doppelflinten und eine Büchse, mit seiner gewöhnlichen Kaltblütigkeit; dann wartete er, auf alles gefaßt.
Inzwischen zog der Patron seine Kleider bis auf die Hosen aus und legte einen Finger auf die Lippen, um den andern Stillschweigen anzuempfehlen, ließ sich in das Meer hinabgleiten und schwamm mit solcher Vorsicht
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