Der Graf von Monte Christo
für Franz bestimmt zu sein, denn Simbad kostete kaum voll ein paar Schüsseln des glänzenden Mahles, dem sein unerwarteter Gast alle Ehre antat. Endlich brachte Ali den Nachtisch, er nahm vielmehr die Körbchen aus den Händen der Statuen und setzte sie auf die Tafel. Zwischen zwei Körbchen stellte er einen Becher von Vermeil, der mit einem Deckel von demselben Metalle verschlossen war.
Die Ehrfurcht, mit der Ali diesen Becher herbeibrachte, stachelte Franzens Neugierde; er hob den Deckel auf und sah eine Art von grünlichem Teig, der ihm aber völlig unbekannt war. Er setzte den Deckel wieder auf und wußte ebensowenig wie zuvor, was der Becher enthielt; als er seine Augen zu seinem Wirte aufschlug, sah er, wie dieser über seine Neugier lächelte.
Sie können nicht erraten, sagte der Unbekannte, welche Art von eßbarem Stoffe diese kleine Vase enthält, und das setzt Sie in Verlegenheit?
Ich gestehe es.
Nun, diese Sorte von Zuckerwerk ist nichts mehr und nichts weniger als die Ambrosia, die Hebe an Jupiters Tafel reichte. Sind Sie ein materieller Mensch, ist das Gold Ihr Gott? Kosten Sie hiervon; und die Minen von Peru, Goleonda und Guzerate sind Ihnen geöffnet. Sind Sie ein Mann von Phantasie? Sind Sie ein Dichter? Kosten Sie abermals hiervon, und die Schranken des Möglichen werden verschwinden; die Gefilde des Unendlichen öffnen sich, und Sie wandeln, frei an Herz, frei an Geist, auf dem grenzenlosen Gebiete des Traumlebens umher. Sind Sie ehrgeizig, jagen Sie der irdischen Größe nach? In einer Stunde sind Sie König, nicht König eines kleinen Reiches, wie Spanien, Frankreich und England, sondern König der Welt, König des Weltalls. Sprechen Sie, ist es nicht verführerisch, was ich Ihnen da biete, und ist es nicht etwas Leichtes, da nur folgendes zu tun ist? Sehen Sie!
Bei diesen Worten hob er ebenfalls den Deckel von dem kleinen Becher ab, der den so gepriesenen Stoff enthielt, nahm einen Kaffeelöffel von dem magischen Zuckerwerk, führte ihn an den Mund und zog, die Augen halb geschlossen und den Kopf zurückgelegt, die wunderbare Speise langsam in den Mund. Franz ließ ihm Zeit, sein Lieblingsgericht zu verzehren; als er ihn aber wieder etwas zu sich kommen sah, sagte er zu ihm: Was für ein kostbares Gericht ist denn dies?
Haben Sie vom Alten vom Berge sprechen hören?
Allerdings.
Sie wissen, daß ihm ein reiches Tal gehörte, das der Berg beherrschte, von dem er seinen malerischen Namen genommen hatte. In diesem Tale waren herrliche, von Hassan Ben Saba angelegte Gärten, und in diesen Gärten einzeln stehende Pavillons. In diese Pavillons berief er seine Auserwählten, und hier ließ er sie ein gewisses Kraut essen, das sie in das Paradies, unter ewig blühende Pflanzen, stets reife Früchte und immer jungfräulich reizvolle Mädchen versetzte. Was aber die seligen jungen Leute für Wirklichkeit hielten, war ein Traum; doch ein so sanfter, so berauschender, so wollüstiger Traum, daß sie sich mit Leib und Seele an den verkauften, der sie darein versetzt hatte; daß sie, seinen Befehlen wie denen Gottes gehorchend, bis ans Ende der Welt gingen, um das bezeichnete Opfer zu schlagen; daß sie unter den gräßlichsten Martern, ohne zu klagen, einzig und allein in dem Gedanken starben, der Tod, den sie erlitten, sei nur ein Übergang zu dem köstlichen Leben, von dem ihnen das Kraut einen Vorgeschmack gegeben hatte.
Also ist es Haschisch, rief Franz; ich kenne dies wenigstens dem Namen nach.
Sie haben das richtige Wort ausgesprochen, Herr Aladin, es ist Haschisch aus Alexandrien.
Wissen Sie, daß ich große Lust habe, selbst ein Urteil über die Richtigkeit Ihrer Lobeserhebungen zu gewinnen?
Urteilen Sie selbst, mein Gast! Sie werden nie mehr leben und immer nur träumen wollen. Kosten Sie von dem Haschisch, mein Freund, kosten Sie davon!
Franz nahm, ohne zu antworten, einen Löffel voll von dem Wunderteig und führte ihn an den Mund.
Dann standen beide auf Simbads Vorschlag auf und traten in das anstoßende Zimmer. Dieses war einfacher, obwohl nicht minder reich ausgestattet. Es hatte eine runde Form, und ein großer Diwan prangte rings umher. Aber Diwan, Wände, Decken und Boden waren insgesamt mit prächtigem, weichem, teppichartigem Pelzwerk überzogen. Beide legten sich auf Diwans; Pfeifen in gehöriger Anzahl standen mit Jasminrohren und Bernsteinspitzen im Bereich der Hand. Jeder nahm eine. Ali zündete sie an und ging sodann hinaus, um Kaffee zu holen.
Während Wirt und Gast
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