Der Graf von Monte Christo
Grafen vor der Tür anhielt.
Cocles öffnete, wie gesagt; Baptistin sprang von seinem Bocke und fragte, ob Herr und Frau Herbault und Herr Maximilian Morel für den Grafen von Monte Christo zu sprechen seien.
Für den Grafen von Monte Christo! rief Morel, seine Zigarre wegwerfend und dem Besuche entgegeneilend, ich glaube wohl, ich glaube wohl! Ah! Dank, tausendmal Dank, Herr Graf, daß Sie Ihr Versprechen nicht vergessen haben. Und der junge Offizier drückte dem Grafen so innig die Hand, daß dieser sich über die Treuherzigkeit seiner Kundgebung nicht täuschen konnte und mit dem ersten Blicke sah, daß er mit Ungeduld erwartet worden war.
Kommen Sie, sagte Maximilian. Meine Schwester ist im Garten und bricht ihre verwelkten Rosen ab; mein Schwager liest seine Zeitungen bei ihr, denn wo Frau Herbault ist, pflegt auch Herr Emanuel zu sein.
Bei dem Geräusch der Tritte hob eine junge Frau von dreißig Jahren in einem seidenen Hauskleide den Kopf. Diese Frau, die sorgfältig von einem herrlichen Rosenstock die welken Blumen pflückte, war unsere kleine Julie, nunmehr, wie es der Vertreter des Hauses Thomson und French vorhergesagt hatte, Frau Emanuel Herbault. Sie stieß einen leichten Schrei aus, als sie einen Fremden erblickte, Maximilian aber sagte lachend: Laß dich nicht stören, Schwester; der Herr Graf befindet sich erst seit zwei bis drei Tagen in Paris, weiß aber bereits, was eine Rentière des Marais ist, und wenn er es nicht weiß, so wirst du es ihn lehren.
Ah! mein Herr, sagte Julie, Sie so hierher zu führen ist ein Verrat von meinem Bruder, der nicht die geringste Eitelkeit für seine arme Schwester besitzt ... Penelon! ... Penelon! ...
Ein Greis, der eine Rabatte umgrub, steckte seinen Spaten in die Erde und näherte sich mit der Mütze in der Hand, während er so gut wie möglich den Kautabak verbarg, den er schleunigst in die Tiefen seiner Backen zurückgeschoben hatte. Einige weiße Büschel versilberten sein noch dichtes Haupthaar, indes seine bronzefarbige Gesichtshaut und sein kühnes, lebhaftes Auge den alten, unter der Sonne des Äquators gebräunten und vom Hauche der Stürme gestählten Seemann verrieten.
Ich glaube, Sie haben mich gerufen, Fräulein Julie, sagte er, hier bin ich.
Penelon hatte die Gewohnheit beibehalten, die Tochter seines Patrons Fräulein Julie zu nennen, und war nie imstande gewesen, sich daran zu gewöhnen, sie als Frau Herbault anzureden.
Penelon, sagte Julie, melde Herrn Emanuel den angenehmen Besuch, der uns zuteil wird, während Maximilian den Herrn Grafen in den Salon führt. Dann, sich an Monte Christo wendend, fuhr sie fort: Sie werden mir wohl erlauben, auf eine Minute zu entfliehen?
Und ohne die Einwilligung des Grafen abzuwarten, eilte sie hinter eine Baumgruppe und erreichte das Haus durch eine Seitenallee.
Ah! mein lieber Herr Morel, sagte Monte Christo, ich bemerke zu meinem Schmerze, daß ich einen Aufruhr in Ihrer Familie veranlasse.
Sehen Sie, erwiderte Maximilian lachend, sehen Sie dort unten den Mann, der ebenfalls sein Wams gegen einen Oberrock zu vertauschen im Begriffe ist? Oh! man kennt Sie, glauben Sie mir, Sie waren angekündigt.
Es scheint hier eine glückliche Familie zu wohnen, Herr Morel, sagte der Graf, seinen eigenen Gedanken beantwortend.
Oh ja! dafür stehe ich Ihnen, Herr Graf; es fehlt ihnen nichts zu ihrem Glücke, sie sind jung, sie sind heiter, sie lieben sich, und mit ihren 25 000 Franken Rente bilden sie sich ein, den Reichtum Rothschilds zu besitzen.
25 000 Franken Rente ist übrigens wenig, sagte Monte Christo mit einer Weichheit, welche in Maximilians Herz wie die Stimme eines zärtlichen Vaters drang; doch sie werden hierbei nicht stehen bleiben, unsere jungen Leute, sie werden ebenfalls Millionäre werden. Ihr Herr Schwager ist Advokat ... Arzt? ...
Er war Kaufmann, Herr Graf, und hatte das Haus meines armen Vaters übernommen. Herr Morel starb mit Hinterlassung eines Vermögens von 500 000 Franken; ich bekam die eine Hälfte und meine Schwester die andere, denn wir waren nur zwei Kinder. Ihr Gatte, der sie ohne ein anderes Erbgut, als seine Redlichkeit, seinen scharfen Verstand und seinen fleckenlosen Ruf geheiratet hatte, wollte ebensoviel besitzen wie seine Frau. Er arbeitete, bis er 250 000 Franken zusammengebracht hatte; hierzu genügten sechs Jahre. Eines Tages suchte Emanuel seine Frau auf und sagte zu ihr: Julie, Cocles hat mir soeben eine Rolle von hundert Franken zugestellt, welche die Summe von
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