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Der Graf von Monte Christo

Der Graf von Monte Christo

Titel: Der Graf von Monte Christo Kostenlos Bücher Online Lesen
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zu bestrafen. Aber Satan neigte das Haupt, stieß einen Seufzer aus und erwiderte: Du irrst dich, die Vorsehung besteht; nur siehst du sie nicht, weil sie, eine Tochter Gottes, unsichtbar ist, wie ihr Vater. Du hast nichts gesehen, was ihr gleicht, weil sie mit verborgenen Federn wirkt und auf dunkeln, unbekannten Wegen wandelt. Alles, was ich für dich tun kann, besteht darin, daß ich dich zu einem der Werkzeuge der Vorsehung mache. Der Handel wurde abgeschlossen, ich verliere dabei vielleicht meine Seele; doch gleichviel, er reut mich nicht.
    Villefort schaute Monte Christo mit dem höchsten Erstaunen an und fragte: Haben Sie Verwandte, Herr Graf?
    Nein, ich bin allein auf der Welt.
    Schade, Sie hätten ein Schauspiel sehen können, das Ihren Stolz wohl gebrochen hätte. Sie sagen, Sie fürchten nur den Tod?
    Ich sage nicht, daß ich ihn fürchte, ich sage nur, er könne mich aufhalten.
    Und das Alter?
    Meine Sendung wird vollendet sein, ehe ich alt bin.
    Und der Wahnsinn?
    Ich bin beinahe wahnsinnig geworden, und Sie kennen den Satz non bis in eodem (nie zweimal das gleiche); es ist ein strafrechtlicher Grundsatz und gehört folglich in Ihr Reich.
    Mein Herr, versetzte Villefort, es gibt noch etwas anderes zu fürchten als den Tod, das Alter oder den Wahnsinn; zum Beispiel den Schlagfluß, diesen Wetterstrahl, der Sie trifft, ohne Sie zu zerstören, und der doch alles wertlos macht. Wenn Sie einmal Lust haben, dieses Gespräch in meinem Hause fortzusetzen, mit einem Gegner, der fähig ist, Sie zu begreifen, und begierig, Sie zu widerlegen, so zeige ich Ihnen meinen Vater, Herrn Noirtier von Villefort, einen der heftigsten Jakobiner der französischen Revolution, einen Mann, der zwar nicht, wie Sie, alle Reiche der Erde gesehen, aber zum Umsturz eines der mächtigsten beigetragen hat. Nun, mein Herr, das Zerspringen eines Blutgefäßes in einem Gehirnlappen hat dies alles zerstört, und zwar in einer Sekunde. Herr Noirtier, der mit Revolutionen spielte, der Frankreich nur noch als ein großes Schachbrett betrachtete, von dem Bauern, Türme, Ritter und Königin verschwinden mußten, weil der König matt war; der furchtbare und gefürchtete Herr Noirtier war am andern Tage nur ein armer, schwacher Greis, dem Willen des schwächsten Wesens im ganzen Hause, seiner Enkelin Valentine, unterworfen.
    Ah! dieses Schauspiel ist weder meinen Augen, noch meinem Geiste fremd, entgegnete Monte Christo, ich bin ein wenig Arzt und habe, wie meine Kollegen, wiederholt die Seele in der lebendigen oder in der toten Materie gesucht, und sie ist, wie die Vorsehung, obgleich meinem Herzen gegenwärtig, doch für meine Augen unsichtbar geblieben. Hundert Schriftsteller haben seit Sokrates, seit Seneca, seit dem heiligen Augustin, seit Gall den Vergleich gemacht, den Sie machen, aber dennoch begreife ich, daß die Leiden eines Vaters den Geist eines Sohnes stark beeinflussen können. Da Sie mich dazu auffordern, so werde ich zur Förderung meiner Demut dieses furchtbare Schauspiel betrachten, das Trauer in Ihr Haus bringen muß.
    Es wäre dies ohne Zweifel der Fall, hätte mich Gott nicht reich entschädigt. Während der Greis sich mühsam zum Grabe schleppt, treten zwei blühende Kinder frisch ins Leben: Valentine, eine Tochter aus meiner ersten Ehe mit Fräulein Renée von Saint-Meran, und Eduard, der Sohn, dem Sie das Leben gerettet haben.
    Und was schließen Sie daraus?
    Ich schließe daraus, daß mein Vater, von Leidenschaften irregeführt, eines von jenen Versehen begangen hat, die der menschlichen Gerechtigkeit entgehen, aber von der Gerechtigkeit Gottes gesühnt werden ... und daß Gott, der nur eine Person treffen wollte, auch nur eine geschlagen hat.
    Monte Christo konnte ein Lächeln nicht unterdrücken.
    Leben Sie wohl, mein Herr, sagte Villefort, der schon seit einiger Zeit aufgestanden war; indem ich Sie verlasse, trage ich ein Gefühl der Hochachtung mit mir fort, das Ihnen hoffentlich angenehm sein wird, wenn Sie mich näher kennen, denn ich bin nichts weniger als ein Mensch vom Alltagsschlage. Überdies haben Sie sich meine Frau zur ewigen Freundin gemacht.
    Der Graf verbeugte sich und begleitete Herrn von Villefort nur bis an die Tür seines Kabinetts; der Staatsanwalt kehrte zu seinem Wagen zurück, wobei zwei Lakaien vorauseilten, die ihm auf den Wink ihres Herrn den Schlag öffneten.
    Als Villefort verschwunden war, sagte Monte Christo, einen schweren Seufzer aus seiner gepreßten Brust ausstoßend: Genug des Giftes,

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