Der Graf von Monte Christo
an einem Tische, dessen Oberfläche mit der Helle übergossen war, die ein weiter Lichtschirm konzentrierte, während der Rest des Zimmers im Schatten lag, den Abbé in geistlicher Kleidung, den Kopf mit einer von jenen Kappen bedeckt, wie sie im Mittelalter die Gelehrten trugen. Habe ich die Ehre, mit Herrn Busoni zu sprechen? fragte der Fremde.
Ja, antwortete der Abbé, und Sie sind die Person, die Herr von Boville, der ehemalige Intendant der Gefängnisse, im Auftrage des Herrn Polizeipräfekten zu mir schickt? – Ganz richtig, mein Herr. – Einer von den Agenten, die für die Sicherheit von Paris zu sorgen haben? – Ja, mein Herr, antwortete der Fremde mit einem gewissen Zögern und etwas errötend.
Der Abbé richtete die große Brille zurecht, die nicht nur seine Augen, sondern auch, seine Schläfe bedeckte, setzte sich wieder und bedeutete dem Fremden durch ein Zeichen, er möge sich ebenfalls setzen.
Ich höre Sie, mein Herr, sagte der Abbé mit scharf italienischem Akzente.
Die Sendung, die ich übernommen habe, mein Herr, sagte der Besuch, jedes seiner Worte so langsam aussprechend, als hätten sie Mühe aus dem Munde zu gehen, gereicht sowohl dem zum Vertrauen, der sie vollzieht, wie dem, bei dem sie vollzogen wird.
Der Abbé verbeugte sich.
Ja, mein Herr, fuhr der Fremde fort, Ihre Redlichkeit ist dem Herrn Polizeipräfekten so wohl bekannt, daß er als Beamter von Ihnen eine Sache erfahren will, bei der die öffentliche Sicherheit beteiligt ist, in deren Namen ich bei Ihnen erscheine. Wir hoffen, Herr Abbé, daß weder Bande der Freundschaft, noch menschliche Rücksichten Sie veranlassen werden, der Justiz die Wahrheit zu verbergen.
Vorausgesetzt, daß die Dinge, die Sie zu erfahren wünschen, in keiner Beziehung die Bedenklichkeiten meines Gewissens berühren. Ich bin Priester, und die Geheimnisse der Beichte, zum Beispiel, müssen mir und der Gerechtigkeit Gottes und nicht mir und der menschlichen Gerechtigkeit vorbehalten bleiben. Oh, seien Sie unbesorgt, Herr Abbé, sagte der Fremde, jedenfalls werden wir Ihr Gewissen nicht belasten.
Bei diesen Worten drückte der Abbé auf seiner Seite auf den Lichtschirm nieder und hob ihn auf der andern Seite, so daß das Gesicht des Fremden völlig beleuchtet wurde, das seinige aber ganz im Schatten blieb.
Verzeihen Sie, Herr Abbé, sagte der Abgeordnete des Polizeipräfekten, dieses Licht ist höchst schmerzhaft für meine Augen.
Der Abbé drückte den grünen Pappendeckel nieder.
Sprechen Sie nun!
Ich komme zur Sache. Sie kennen ohne Zweifel den Grafen von Monte Christo?
Sie meinen Herrn Zaccone?
Zaccone ... heißt er denn nicht Monte Christo?
Monte Christo ist der Name eines Gutes, oder vielmehr eines Felsens und kein Familienname.
Wohl, es mag sein; streiten wir nicht über Worte, und da Herr von Monte Christo und Herr Zaccone derselbe Mensch ist, so wollen wir von Herrn Zaccone sprechen; kennen Sie ihn? – Genau. – Wer ist er? – Er ist der Sohn eines reichen Reeders in Malta. – Ja, ich weiß, das sagt man; doch Sie begreifen, die Polizei kann sich nicht mit einem ›man sagt‹ begnügen!
Wenn aber, versetzte der Abbé mit sehr freundlichem Lächeln, dieses man sagt die Wahrheit ist, so muß sich die ganze Welt damit begnügen, und die Polizei ebenfalls.
Sind Sie dessen, was Sie sagen, gewiß?
Ob ich dessen gewiß bin!
Bemerken Sie wohl, mein Herr, ich, setze durchaus keinen Zweifel in Ihre Glaubwürdigkeit. Ich frage Sie: Sind Sie Ihrer Sache gewiß?
Hören Sie, ich habe Herrn Zaccone, den Vater, gekannt und habe mit dem Sohne, als er noch ein Kind war, wohl zehnmal auf den Werften gespielt.
Doch dieser Grafentitel? ...
Sie wissen, so was läßt sich kaufen.
Doch diese Reichtümer, welche, wie man sagt, ungeheuer sind ...
Oh! was das betrifft, erwiderte der Abbé, ungeheuer, das ist das richtige Wort.
Wieviel glauben Sie, daß er besitzt?
Oh! er hat gewiß 200 000 Franken Rente.
Ah! das läßt sich hören, versetzte der Fremde, aber man sprach von drei, von vier Millionen Rente!
Oh, das ist nicht glaublich!
Und Sie kennen seine Insel Monte Christo?
Gewiß: jeder, der von Palermo, von Neapel oder Rom nach Frankreich reist, kennt diese Felseninsel, weil er sie im Vorüberfahren sehen muß.
Und warum hat der Graf diese Felsen gekauft?
Gerade, um Graf zu sein. Um in Italien Graf zu werden, bedarf man auch einer Grafschaft.
Sie haben ohne Zweifel von den Jugendabenteuern des Herrn Zaccone sprechen hören?
Ah! hier
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