Der Graf von Monte Christo
Saint-Meran nicht ebenso auch Fräulein Danglars' Großvater?
Albert! Albert! versetzte Frau von Morcerf im Tone zarten Vorwurfs, was sagst du da? Ah! Herr Graf, Sie, für den er so große Achtung hegt, sagen Sie ihm, daß er übel gesprochen habe!
Und sie machte einige Schritte vorwärts.
Monte Christo schaute sie so seltsam und mit einem zugleich so träumerischen und von liebevoller Bewunderung erfüllten Ausdruck an, daß sie zurückkehrte.
Dann nahm sie seine Hand, drückte zugleich die ihres Sohnes und sagte, beide aneinander pressend: Nicht wahr, wir sind Freunde?
Oh! Ihr Freund, gnädige Frau? erwiderte Monte Christo, ich habe nicht diese Anmaßung, doch jedenfalls bin ich Ihr ehrerbietiger Diener.
Die Gräfin entfernte sich mit unaussprechlich gepreßtem Herzen, und ehe sie zehn Schritte gemacht hatte, sah sie der Graf ihr Taschentuch an die Augen drücken.
Sind Sie uneins, meine Mutter und Sie? fragte Albert erstaunt.
Im Gegenteil, da sie mir in Ihrer Gegenwart gesagt hat, wir seien Freunde, antwortete der Graf. Und sie kehrten in den Salon zurück, den Valentine und Herr und Frau von Villefort soeben verlassen hatten.
Es versteht sich von selbst, daß Morel gleich nach ihnen weggegangen war.
Frau von Saint-Meran.
Es war wirklich eine düstere Szene im Hause des Herrn von Villefort vorgefallen.
Nachdem die drei Damen auf den Ball gegangen waren, wohin trotz aller Bitten der Frau von Villefort ihr Gatte sie nicht begleiten wollte, schloß sich der Staatsanwalt, seiner Gewohnheit gemäß, in sein Kabinett mit einem Haufen von Akten ein, der jeden andern erschreckt, der jedoch im gewöhnlichen Laufe der Dinge seinen kräftigen Arbeitshunger kaum befriedigt hätte.
Doch diesmal waren die Aktenstöße nur Sache der Form, Villefort schloß sich nicht ein, um zu arbeiten, sondern um nachzudenken. Nachdem der Befehl gegeben war, ihn nur bei Vorfällen von großer Wichtigkeit zu stören, setzte er sich in seinen Lehnstuhl und fing noch einmal an, alles zu erwägen, was seit sieben bis acht Tagen den Becher seines finstern Kummers und seiner bittern Erinnerungen überströmen ließ.
Sodann öffnete er eine Schublade seines Schreibtisches und zog das Bündel mit seinen persönlichen Noten hervor, ... wertvolle Manuskripte, auf denen er auch mit Ziffern, die nur ihm bekannt waren, die Namen aller derer verzeichnet hatte, die auf seiner politischen Laufbahn, bei seinen Finanzoperationen, bei seiner Tätigkeit als Staatsanwalt oder bei seinen geheimen Liebschaften seine Feinde geworden waren.
Ihre Zahl schien ihm heute, wo er zu zittern anfing, furchtbar, und doch hatten ihn alle diese Namen, so mächtig ihre Träger auch waren, oft lächeln lassen, wie der Reisende lächelt, der von dem höchsten Gipfel des Gebirges herab zu seinen Füßen die spitzigen Felsen, die rauhen, beschwerlichen Wege und die Ränder der Abgründe erblickt, an denen er, um auf die Höhe zu gelangen, so lange und so mühsam hatte umherklettern müssen.
Als er alle diese Namen durchgegangen, als er sie wiedergelesen, wohlerwogen und in seinen Listen mit Bemerkungen versehen hatte, schüttelte er den Kopf und murmelte: Nein, keiner dieser Feinde hätte geduldig und in der Stille arbeitend bis zu dem Tage gewartet, zu dem wir nun gelangt sind, um mich jetzt erst mit diesem Geheimnis niederzuschmettern. Zuweilen, wie Hamlet sagt, dringt das Geräusch der am tiefsten verborgenen Dinge aus der Erde hervor und tanzt wie das Feuer des Phosphors, toll in der Luft umher; doch dies sind Flammen, die nur einen Augenblick leuchten, um irrezuleiten. Die Geschichte wird von dem Korsen irgend einem Priester erzählt worden sein, der sie seinerseits weiter erzählt hat. Herr von Monte Christo wird sie erfahren haben, und um sich aufzuklären ...
Doch wozu sich aufklären? fuhr Herr von Villefort nach kurzem Nachdenken fort; welches Interesse kann Herr von Monte Christo, Herr Zaccone, der Sohn eines maltesischen Reeders, der Besitzer eines thessalischen Silberbergwerks, der zum erstenmal nach Frankreich kommt, welches Interesse kann er haben, sich über eine geheime Tat, wie diese, aufzuklären? Aus all den unzulänglichen Nachrichten, die mir von diesem Abbé Busoni und von diesem Lord Wilmore, von dem Freunde und dem Feinde, gegeben worden sind, ergibt sich eines klar und zweifellos: In keiner Zeit, in keinem Fall, unter keinen Umständen kann die geringste Berührung zwischen ihm und mir stattgefunden haben.
Doch Herr von Villefort sagte
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