Der Graf von Monte Christo
die Gräfin.
Ich glaube nicht, denn er beklagte sich, daß es zum Ersticken heiß sei, und fragte mich, warum man, da man bereits die Fenster geöffnet, nicht auch die Läden öffne.
In der Tat, das ist ein Mittel, um mir Gewißheit zu verschaffen, ob diese Enthaltsamkeit auf einem bestimmten Entschlüsse beruht, sagte Mercedes und verließ den Salon.
Einen Augenblick nachher öffneten sich die Läden, man sah den ganzen Garten mit Lampen beleuchtet und das Abendessen unter dem Zelte aufgetragen.
Tänzer und Tänzerinnen, Spieler und Plaudernde, stießen einen Freudenschrei aus, die gepreßten Lungen atmeten mit Wollust die Luft ein, die in Wellen in die Säle strömte. In diesem Augenblick erschien Mercedes wieder, bleicher als sie weggegangen war, aber mit jener, bei ihr unter gewissen Umständen merkwürdigen Energie des Gesichtsausdrucks. Sie ging gerade auf die Gruppe zu, deren Mittelpunkt ihr Gatte bildete, und sagte: Herr Graf, fesseln Sie diese Herren nicht hier! Wenn sie nicht spielen, werden sie lieber die Lust im Garten einatmen, als hier ersticken.
Ah! gnädige Fran, sagte ein alter, sehr artiger General, der im Jahre 1809 »Partant pour la Syrie« (Auf nach Syrien) gesungen hatte, wir gehen nicht allein in den Garten.
Gut, ich werde das Beispiel geben, versetzte Mercedes.
Und sich zu Monte Christo wendend, sagte sie: Herr Graf, haben Sie die Güte, mir Ihren Arm zu bieten. Der Graf wankte bei diesen einfachen Worten; dann schaute er Mercedes einen Moment an. Dieser Moment hatte die Geschwindigkeit eines Blitzes, und dennoch kam es der Gräfin vor, als hätte er ein Jahrhundert gedauert, so viele Gedanken hatte Monte Christo in diesen einzigen Blick gelegt.
Er bot der Gräfin seinen Arm; sie stützte sich darauf, oder sie berührte ihn vielmehr nur mit ihrer kleinen Hand, und beide stiegen die Stufen der mit Kamelien und Rhododendren eingefaßten Freitreppe hinab.
Brot und Salz.
Frau von Morcerf trat mit ihrem Begleiter unter eine Lindenallee, die nach einem Treibhause führte. Nicht wahr, es war heiß im Salon, Herr Graf? sagte sie.
Ja, gnädige Frau, und Ihr Gedanke, die Türen und Läden öffnen zu lassen, war vortrefflich.
Als der Gras diese Worte sprach, bemerkte er, daß Mercedes' Hand zitterte.
Doch Sie, sagte er, mit diesem leichten Kleide und ohne ein anderes Schutzmittel um den Hals, als diesen Schal von Gaze, Ihnen ist wohl kalt?
Wissen Sie, wohin ich sie führe? sagte die Gräfin, ohne auf Monte Christos Frage zu antworten.
Nein, gnädige Frau, antwortete dieser, doch Sie sehen, ich leiste keinen Widerstand.
In das Treibhaus, das Sie dort am Ende der Allee erblicken. Der Graf schaute Mercedes an, als wollte er sie befragen; doch sie setzte ihren Weg fort, ohne etwas zu sagen, und Monte Christo blieb stumm.
Sie traten in das Gebäude, das ganz mit herrlichen Früchten geschmückt war, die schon Anfang Juli in dieser künstlichen Temperatur reiften.
Mercedes verließ den Arm des Grafen und pflückte an einem Weinstock eine Muskattraube.
Nehmen Sie, Herr Graf, sagte sie mit einem so traurigen Lächeln, daß man die Tränen am Rande ihrer Augen hätte können hervorbrechen sehen, ich weiß wohl, unsere französischen Trauben sind nicht mit denen von Sizilien und Cypern zu vergleichen, doch Sie werden gegen unsere nördliche Sonne nachsichtig sein.
Der Graf verbeugte sich und machte einen Schritt rückwärts.
Sie schlagen es mir ab? fragte Mercedes mit zitternder Stimme.
Gnädige Frau, antwortete Monte Christo, ich bitte Sie demütigst um Entschuldigung, aber ich esse nie Trauben.
Ein herrlicher Pfirsich hing, wie die Weinrebe, an einem durch die künstliche Hitze des Treibhauses erwärmten Spaliere. Mercedes näherte sich der samtartigen Frucht und pflückte sie.
Nehmen Sie diesen Pfirsich, sagte sie.
Doch der Graf machte dieselbe Gebärde der Weigerung.
Abermals! sagte sie mit einem schmerzlichen Tone, daß man fühlen konnte, wie dieser Ton ein Schluchzen unterdrückte, in der Tat, ich habe Unglück.
Ein banges Schweigen folgte auf diese Szene, der Pfirsich war wie die Traube auf den Sand gefallen.
Herr Graf, sagte Mercedes, Monte Christo mit flehendem Auge anschauend, es gibt eine rührende arabische Sitte, die auf ewig die zu Freunden macht, die Brot und Salz unter demselben Dache geteilt haben.
Ich kenne sie, gnädige Frau, antwortete der Graf, doch wir sind in Frankreich und nicht in Arabien, und in Frankreich gibt es ebensowenig ewige Freundschaften, wie
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