Der Graf von Monte Christo
Augenblick gegen ihn um, wo er sich vor ihr verbeugte. Ohne Zweifel glaubte sie, der Graf würde mit ihr sprechen; ohne Zweifel glaubte er, sie würde das Wort an ihn richten. Doch sie blieben auf beiden Seiten stumm, so sehr kam beiden wahrscheinlich eine alltägliche Redensart unwürdig vor, und nach einer gegenseitigen Begrüßung wandte sich Monte Christo zu Albert, der mit offener Hand auf ihn zukam.
Sie haben meine Mutter gesehen? fragte Albert.
Soeben hatte ich die Ehre, sie zu begrüßen, sagte der Graf, doch Ihren Vater habe ich noch nicht wahrgenommen.
Er steht dort in jener kleinen Gruppe von großen Politikern.
In der Tat, sagte Monte Christo, die Herren, die ich dort sehe, sind große Politiker? Ich hätte es nicht vermutet.
In diesem Augenblick fühlte Morcerf, daß man eine Hand auf seinen Arm legte.
Ah, Sie sind es, Baron! sagte er.
Warum nennen Sie mich Baron? entgegnete Danglars; Sie wissen wohl, daß ich nichts auf meinen Titel halte. Es ist nicht wie bei Ihnen, Vicomte, nicht wahr, Sie halten darauf?
Allerdings, antwortete Albert, da ich, wenn ich nicht Vicomte wäre, gar nichts wäre, indes Sie Ihren Baronentitel opfern können und immer noch Millionär bleiben.
Was mir der schönste Titel unter dem Julikönigtum zu sein scheint, versetzte Danglars.
Leider, sagte Monte Christo, leider ist man nicht Millionär auf Lebenszeit, wie man Baron, Pair von Frankreich oder Akademiker ist? als Beweis hierfür dienen die Millionäre Frank und Pullmann in Frankfurt, die soeben Bankerott gemacht haben.
Wirklich? fragte Danglars erbleichend.
Meiner Treu, die Nachricht ist mir heute durch einen Kurier zugekommen; ich hatte so etwa eine Million bei ihnen; zu rechter Zeit benachrichtigt, forderte ich vor einem Monat Rückzahlung.
Mein Gott! versetzte Danglars, sie haben für 200 000 Franken auf mich gezogen.
Nun wissen Sie's, ihre Unterschrift ist nicht mehr als fünf Prozent wert.
Ja, aber ich erfahre es zu spät, denn ich habe ihre Unterschrift honoriert.
Gut, sagte Monte Christo, das sind 200 000 Franken, die den anderen nach ...
Still! flüsterte Danglars. Sprechen Sie davon nicht, am wenigsten in Gegenwart von Herrn Cavalcanti Sohn, fügte der Bankier hinzu, der bei diesen Worten sich lächelnd gegen den jungen Mann umwandte.
Morcerf hatte den Grafen verlassen, um mit seiner Mutter zu sprechen. Danglars verließ ihn, um Cavalcanti Sohn zu begrüßen. Monte Christo fand sich einen Augenblick allein.
Die Hitze sing indessen an, fürchterlich zu werden. Die Bedienten gingen in den Salons mit Platten umher, die mit Früchten und verschiedenem Eis bedeckt waren. Monte Christo trocknete sich mit dem Taschentuch sein von Schweiß übergossenes Gesicht; doch er wich zurück, als die Platten an ihm vorübergetragen wurden, und nahm nichts von den Erfrischungen.
Frau von Morcerf ließ mit ihren Blicken nicht von Monte Christo ab. Sie sah die Platte an ihm vorübergehen, ohne daß er sie berührte; sie faßte sogar die Bewegung auf, mit der er sich entfernte.
Albert, sagte sie, hast du bemerkt, daß der Graf nie etwas bei Herrn von Morcerf genießen wollte?
Ja, doch er hat an einem Frühstück bei mir teilgenommen.
Bei dir ist nicht bei dem Grafen, versetzte Mercedes, und ich beobachte ihn, seitdem er hier ist. – Nun? – Er hat noch nichts angenommen. – Der Graf ist sehr nüchtern. – Mercedes lächelte traurig. – Nähere dich ihm, sagte sie, und bei der ersten Platte, die herumgereicht wird, dringe in ihn. – Warum das, meine Mutter? – Mache mir das Vergnügen, Albert.
Albert küßte seiner Mutter die Hand und stellte sich zu dein Grafen. Es kam eine neue Platte mit den gleichen Erfrischungen wie die vorhergehende; sie sah Albert in den Grafen dringen, selbst Eis nehmen und es ihm anbieten; doch er weigerte sich hartnäckig. Albert kehrte zu seiner Mutter zurück; die Gräfin war sehr bleich.
Nun, du siehst es, er hat sich geweigert, sagte sie.
Ja, doch wie kann Sie dies beunruhigen?
Du weißt, Albert, die Frauen sind sonderbar. Ich hätte den Grafen mit Vergnügen irgend etwas bei mir nehmen sehen und wäre es nur ein Granatkern gewesen. Übrigens ist er vielleicht die französische Kost nicht gewöhnt und hat eine Vorliebe für irgend etwas?
Mein Gott, nein! ich sah ihn in Italien von allem nehmen; ohne Zweifel ist ihm heute abend nicht recht wohl.
Da er stets in heißen Klimaten gewohnt hat, ist er vielleicht auch minder empfindlich für die Hitze, als ein anderer, sagte
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