Der Graf von Monte Christo
eine Teilung von Salz und Brot.
Doch sprechen Sie, sagte die Gräfin, stammelnd und ihre Augen auf Monte Christos Augen heftend, den sie mit ihren beiden Händen am Arme faßte, nicht wahr, wir sind Freunde?
Das Blut floß zu dem Herzen des Grafen zurück, und er wurde bleich wie der Tod, dann stieg es vom Herzen aufwärts, überströmte seine Wangen, und seine Augen schwammen ein paar Sekunden lang im weiten Raume, wie die eines von einem Blendwerk getroffenen Menschen.
Gewiß sind wir Freunde, gnädige Frau, erwiderte er, warum sollten wir es auch nicht sein?
Dieser Ton war so weit von dem entfernt, den Frau von Morcerf zu hören wünschte, daß sie sich umwandte, um einen Seufzer entschlüpfen zu lassen, der einem Stöhnen glich.
Ich danke, sagte sie und schritt vorwärts.
So machten sie einen Gang durch den Garten, ohne ein einziges Wort zu sprechen.
Mein Herr, sagte plötzlich die Gräfin nach zehn Minuten einer schweigsamen Wanderung, ist es wahr, daß Sie so viel gesehen, so viele Reisen gemacht, so viel gelitten haben?
Ja, gnädige Frau, ich habe viel gelitten, antwortete er.
Aber nun sind Sie glücklich?
Allerdings, denn niemand hört mich klagen.
Und Ihr gegenwärtiges Glück hat Ihre Seele besänftigt?
Mein gegenwärtiges Glück kommt meinem vergangenen Unglück gleich.
Sind Sie nicht verheiratet? fragte die Gräfin.
Ich verheiratet? entgegnete Monte Christo bebend, wer konnte Ihnen dies sagen?
Man hat es mir nicht gesagt, aber man hat Sie wiederholt eine junge hübsche Person in die Oper führen sehen.
Es ist eine Sklavin, die ich in Konstantinopel gekauft habe; es ist die Tochter eines Fürsten, aus der ich meine Tochter mache, da ich keine andere Zuneigung auf Erden habe.
Sie leben also allein?
Ich lebe allein.
Sie haben keine Schwester ... keinen Sohn ... keinen Vater?
Ich habe niemand.
Wie können Sie so leben, ohne daß Sie etwas an das Dasein bindet?
Das ist nicht mein Fehler, gnädige Frau. In Malta hatte ich eine Geliebte, ich wollte sie heiraten, als der Krieg kam und mich wie ein Sturmwind von ihr fortführte. Ich hatte geglaubt, sie liebe mich hinreichend, um mich zu erwarten und sogar meinem Grabe treu zu bleiben. Bei meiner Rückkehr war sie verheiratet. Das ist die traurige Geschichte des damals zwanzigjährigen Mannes. Ich hatte vielleicht ein schwächeres Herz als die andern und litt mehr, als andere an meiner Stelle gelitten haben würden.
Die Gräfin blieb einen Augenblick stehen, als bedürfe sie eines Haltes, um Atem zu schöpfen.
Ja, sagte sie, und diese Liebe ist Ihnen im Herzen geblieben ... Man liebt nur einmal wirklich ... Und Sie haben diese Frau nie wiedergesehen?
Nie, ich bin nicht nach Malta, wo sie war, zurückgekehrt. – Sie ist also in Malta? – Ich glaube. – Und haben Sie ihr die Leiden vergeben, die sie Ihnen bereitete? – Ihr, ja, – Doch nur ihr; Sie hassen immer noch die, welche Sie von ihr getrennt haben? – Ich, keineswegs; warum sollte ich sie hassen?
Die Gräfin stellte sich Monte Christo gegenüber; sie hielt noch ein Stück von der duftenden Traube in der Hand.
Nehmen Sie, sagte Mercedes.
Ich esse nie Trauben, erwiderte Monte Christo noch einmal.
Die Gräfin schleuderte die Traube mit einer Gebärde der Verzweiflung in das nächste Gebüsch.
Unbeugsam! murmelte sie.
Monte Christo blieb so unempfindlich, als gälte der Vorwurf gar nicht ihm.
Albert lief in diesem Augenblick herbei und rief: Oh! meine Mutter, ein großes Unglück!
Was ist geschehen? fragte die Gräfin, und richtete sich, wie nach einem Traume zur Wirklichkeit erwachend, hoch auf; ein Unglück sagst du? In der Tat, es muß Unglück geschehen!
Herr von Villefort ist hier. – Nun? – Er kommt, um seine Frau und seine Tochter zu holen. – Warum?
Die Frau Marquise von Saint-Meran ist mit der Nachricht in Paris angelangt, Herr von Saint-Meran sei bei seiner Abreise von Marseille auf der ersten Station gestorben. Frau von Villefort, die sehr heiter war, wollte dieses Unglück weder begreifen, noch glauben, doch Fräulein von Villefort erriet, so vorsichtig ihr Vater auch zu Werke ging, bei den ersten Worten alles. Der Schlag traf sie wie der Donner, und sie sank ohnmächtig nieder.
Was ist denn Herr von Saint-Meran für Fräulein von Villefort? fragte der Graf.
Ihr Großvater mütterlicherseits. Er wollte hierherkommen, um die Heirat seiner Enkelin mit Franz zu beschleunigen.
Ah! wirklich?
Franz hat nun Aufschub, fiel Albert ein. Warum ist Herr von
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