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Der Graf von Monte Christo

Der Graf von Monte Christo

Titel: Der Graf von Monte Christo Kostenlos Bücher Online Lesen
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dies, ohne selbst daran zu glauben. Das Schrecklichste für ihn war nicht die Enthüllung, denn er konnte leugnen oder sich sogar verantworten. Wenig kümmerte ihn das »Mene, tekel, upharsin«, das plötzlich in blutigen Buchstaben an der Wand erschien; aber es bekümmerte ihn, daß er den Körper nicht kannte, dem die schreibende Hand angehörte.
    In dem Augenblick, wo er sich selbst zu beruhigen suchte und sich, statt der politischen Zukunft, die er in seinen ehrgeizigen Träumen zuweilen in der Ferne erblickt hatte, aus Furcht, diesen seit langer Zeit schlummernden Feind zu wecken, eine auf die Freuden des häuslichen Herdes beschränkte Zukunft ausmalte, erscholl das Geräusch eines Wagens im Hofe. Dann hörte er auf seiner Treppe den Gang einer betagten Person und Schluchzen und Wehklagen.
    Er stieß schnell den Riegel seiner Tür zurück, und bald trat eine alte Dame ein, ohne angemeldet zu sein, ihren Schal auf dem Arm und ihren Hut in der Hand haltend. Unter ihren weißen Haaren trat eine Stirn, matt wie vergilbtes Elfenbein, hervor, und ihre Augen, in deren Ecken das Alter tiefe Runzeln gegraben hatte, verschwanden beinahe unter der Anschwellung vom Weinen.
    Oh! mein Herr, sagte sie, oh! mein Herr, welch ein Unglück, ich werde auch sterben; oh! ja, ich sterbe sicherlich ebenfalls.
    Und sie sank in den Lehnstuhl, welcher der Tür zunächst stand, und brach in ein Schluchzen aus.
    Die Bedienten, die auf der Schwelle standen und nicht weiter zu gehen wagten, schauten Noirtiers alten Diener an, der, als er das Geräusch vernahm, aus den Zimmern seines Herrn herbeilief. Villefort stand auf und ging auf seine Schwiegermutter zu, denn sie war es.
    Mein Gott! was ist denn vorgefallen? fragte er, was beugt Sie so sehr nieder? Begleitet Sie Herr von Saint-Meran nicht?
    Herr von Saint-Meran ist tot, sagte die alte Marquise, ohne Einleitung, ohne Ausdruck und mit einer Art von Stumpfsinn.
    Villefort wich einen Schritt zurück, schlug seine Hände aneinander und stammelte: Tot? ... So gestorben, so plötzlich gestorben?
    Vor acht Tagen, sagte Fran von Saint-Meran, stiegen wir nach Tische miteinander in den Wagen. Herr von Saint-Meran war seit einiger Zeit leidend; doch der Gedanke, unsere liebe Valentine wiederzusehen, machte ihn mutig, und er wollte, trotz seiner Schmerzen, abreisen. Sechs Stunden von Marseille wurde er aber, nachdem er seine gewöhnlichen Pillen verschluckt hatte, von einem so tiefen Schlafe ergriffen, daß es mir ganz unnatürlich vorkam. Plötzlich schien sich sein Gesicht zu röten und die Adern seiner Schläfe heftiger als gewöhnlich zu schlagen. Da jedoch die Nacht eingebrochen war und ich nichts mehr sah, so ließ ich ihn schlafen; bald stieß er einen dumpfen, schmerzhaften Schrei aus, wie ein Mensch, der im Traume leidet, und warf mit einer ungestümen Bewegung seinen Kopf zurück. Ich ließ den Postillon halten, rief laut den Namen meines Gatten, wollte ihn an meinem Flacon mit flüchtigen Salzen riechen lassen, aber alles war vorbei, er war tot, und ich kam mit seinem Leichnam in Aix an.
    Villefort stand ganz verwundert und mit offenem Munde vor der alten Dame.
    Sie ließen ohne Zweifel einen Arzt rufen?
    Auf der Stelle; doch es war, wie gesagt, zu spät.
    Allerdings; aber er vermochte doch wenigstens zu erkennen, an welcher Krankheit der arme Marquis gestorben war?
    Mein Gott, ja! Er sagte mir, es scheine ein Schlagfluß gewesen zu sein.
    Und was taten Sie sodann?
    Herr von Saint-Meran äußerte stets, wenn er fern von Paris sterben sollte, so wünsche er, daß man seinen Körper in die Familiengruft bringe. Ich ließ ihn in einen bleiernen Sarg legen und reiste ihm um ein paar Tage voran.
    Oh Gott! arme Mutter! sagte Villefort, solche Sorgen, nach einem solchen Schlage und in Ihrem Alter!
    Gott hat mir bis zum Ende Kraft verliehen; überdies hätte er sicherlich für mich getan, was ich für ihn getan habe. Es ist wahr, seitdem ich ihn dort verließ, komme ich mir wie wahnsinnig vor. Ich kann nicht mehr weinen: wohl sagt man, in meinem Alter habe man keine Tränen mehr; es scheint mir jedoch, solange man leidet, sollte man weinen können. Wo ist Valentine, mein Herr? Ihr zu Liebe kehrten wir zurück; ich will meine Valentine sehen.
    Villefort mochte nicht antworten, Valentine sei auf einem Ball, und sagte der Marquise mir, ihre Enkelin sei mit ihrer Stiefmutter ausgefahren, und man werde sie benachrichtigen. Auf der Stelle, mein Herr, auf der Stelle, ich bitte Sie, sagte die alte

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