Der Graf von Monte Christo
Tränen rollten über ihre Wangen. Der junge Mann blieb düster und entschlossen vor ihr stehen.
Oh, Mitleid, Mitleid! Nicht wahr, Sie werden leben? rief Valentine.
Nein, bei meiner Ehre! entgegnete Maximilian; doch was ist Ihnen daran gelegen? Sie haben Ihre Pflicht getan, und es bleibt Ihnen Ihr Gewissen.
Valentine fiel, ihr brechendes Herz zusammenpressend, auf die Knie und rief: Maximilian, Maximilian, mein Freund, mein Bruder auf Erden, mein wahrer Gatte im Himmel, mache es wie ich, ich bitte dich, lebe mit den Leiden, wir werden eines Tages vereinigt sein.
Leben Sie wohl, Valentine! wiederholte Morel.
Mein Gott! sagte Valentine, ihre Hände mit einem erhabenen Ausdruck zum Himmel erhebend, du siehst, ich habe alles getan, was ich konnte, um eine gehorsame Tochter zu bleiben; ich habe gebetet, ich habe gefleht, ich habe geweint, er hörte weder auf meine Bitten, noch auf mein Flehen, noch auf meine Tränen. Wohl! fuhr sie fort, indem sie ihre Tränen trocknete und ihre Festigkeit wiedergewann, wohl! ich will nicht vor Gewissensbissen sterben, ich will lieber vor Scham sterben. Sie werden leben, Maximilian, und ich werde niemand angehören, als Ihnen. Zu welcher Stunde? In welchem Augenblick? Auf der Stelle? Sprechen Sie, befehlen Sie, ich bin bereit.
Morel, der abermals einige Schritte gemacht hatte, um sich zu entfernen, kehrte wieder zurück, streckte, bleich vor Freude, mit überwallendem Herzen, seine Hände Valentine entgegen und rief: Valentine, teure Freundin, Sie müssen nicht so mit mir sprechen, oder Sie geben mir den Tod. Warum sollte ich Sie der Gewalt verdanken, wenn Sie mich lieben, wie ich Sie liebe? Zwingen Sie mich nur aus Menschlichkeit, zu leben? Dann will ich lieber sterben.
Schließlich, wer liebt mich auf der Welt? murmelte Valentine. Er. Wer hat mich in allen meinen Schmerzen getröstet? Er. Auf wem ruhen alle meine Hoffnungen? Auf wem haftet mein irrer Blick? Auf wem rastet mein blutendes Herz? Auf ihm, auf ihm, immer auf ihm. Wohl! du hast recht, Maximilian, ich werde dir folgen, ich werde das väterliche Haus, ich werde alles verlassen. Oh! ich Undankbare, rief Valentine schluchzend, alles, sogar meinen guten Großvater, den ich völlig vergaß.
Nein, entgegnete Maximilian, du wirst ihn nicht verlassen. Herr Noirtier schien, wie du sagst, Sympathie für mich zu fühlen; Wohl, ehe du fliehst, teilst du ihm alles mit; du machst dir vor Gott aus seiner Einwilligung einen Schild. Sobald wir dann verheiratet sind, kommt er zu uns und hat statt eines Kindes zwei. Du hast mir erzählt, wie du mit ihm sprichst, und wie er antwortet; ich werde rasch diese rührende Zeichensprache lernen; oh! Valentine, ich schwöre dir, statt der Verzweiflung, die uns sonst erwartete, verspreche ich dir das Glück.
Oh! sieh, Maximilian, sieh, wie groß die Gewalt ist, die du über mich ausübst; du läßt mich beinahe an das glauben, was du sagst, und dennoch ist das, was du sagst, wahnsinnig; denn mein Vater wird mich verfluchen, ich kenne ihn, mit seinem unbeugsamen Herzen wird er mir nie vergeben. Höre mich, Maximilian, wenn ich durch List, durch Bitten, durch einen Zufall, was weiß ich? kurz, durch irgend ein Mittel die Heirat verzögern kann, nicht wahr, dann wartest du?
Ja, ich schwöre es dir, sobald du mir schwörst, daß diese verhaßte Heirat nie stattfinden wird, daß du, schleppt man dich vor den öffentlichen Beamten, vor den Priester, stets nein sagen wirst.
Ich schwöre es dir, Maximilian, bei dem, was ich Heiligstes auf Erden hatte, bei meiner Mutter.
Warten wir also, sagte Morel.
Ja, warten wir, versetzte Valentine, welche dieses Wort kaum atmete; es gibt so viele Dinge, welche Unglückliche, wie wir sind, retten können.
Ich baue auf dich, Valentine, sagte Morel, alles, was du tun wirst, ist wohlgetan; wenn man jedoch deinen Bitten kein Gehör schenkt, wenn dein Vater, wenn Frau von Saint-Meran verlangen, daß man Herrn d'Epinay rufe, um den Vertrag zu unterzeichnen ...
So hast du mein Wort, Maximilian.
Statt zu unterzeichnen ...
Komme ich zu dir, und wir fliehen; aber bis dahin wollen wir Gott nicht mehr versuchen, Morel, wir wollen uns nicht sehen, denn es ist ein Wunder, eine Gnade der Vorsehung, daß wir noch nicht überrascht worden sind. Würde man uns aber entdecken, wüßte man, wie wir uns sehen, so hätten wir kein Mittel mehr.
Du hast recht, Valentine, aber wie erfahren ...
Durch den Notar, Herrn Deschamps.
Ich kenne ihn.
Und durch mich selbst. Glaube mir, ich
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