Der Graf von Monte Christo
Sie erwidern mir nichts. Ich kämpfen? Gott soll mich behüten! Nein, nein, ich bewahre meine ganze Kraft, um gegen mich selbst zu kämpfen und meine Zähren zu trinken, wie Sie sagen; meinen Vater bekümmern, die letzten Augenblicke meiner Großmutter trüben ... niemals!
Sie haben ganz recht, sagte Morel gelassen.
Mein Gott! wie Sie mir das sagen! rief Valentine verletzt.
Ich sage Ihnen das, wie ein Mann, der Sie bewundert, mein Fräulein, erwiderte Maximilian.
Mein Fräulein! rief Valentine, mein Fräulein, oh der Selbstsüchtige! Er sieht mich in Verzweiflung und stellt sich, als ob er mich nicht verstehe.
Sie täuschen sich, ich verstehe Sie im Gegenteil vollkommen. Sie wollen Herrn von Villefort nicht ärgern, Sie wollen der Marquise nicht ungehorsam sein und unterzeichnen daher morgen den Vertrag, der Sie mit Ihrem Gatten verbindet.
Mein Gott, kann ich denn etwas anderes tun?
Sie dürfen nicht an mich appellieren, mein Fräulein, denn ich bin ein schlechter Richter in dieser Sache, und meine Selbstsucht wird mich verblenden, antwortete Morel, dessen dumpfe Stimme, dessen geballte Fäuste eine wachsende Verzweiflung andeuteten.
Was hätten Sie mir denn vorzuschlagen? Vielleicht würden Sie mich geneigt finden, Ihren Vorschlag anzunehmen. Lassen Sie hören, antworten Sie! Es genügt nicht, zu sagen: Sie machen die Sache schlecht; man muß auch einen Rat geben.
Sprechen Sie im Ernst, Valentine, soll ich Ihnen diesen Rat geben?
Gewiß, lieber Max, denn wenn er gut ist, werde ich ihn befolgen; Sie wissen, ich bin treu in meiner Zuneigung.
Valentine, sagte Morel, indem er ein etwas abgelöstes Brett vollends beiseite schob, geben Sie mir Ihre Hand als Beweis, daß Sie mir meinen Grimm verzeihen; sehen Sie, mein Kopf ist ganz verstört, und seit einer Stunde haben die wahnsinnigsten Gedanken meinen Geist durchkreuzt. Oh! wenn Sie meinen Rat zurückweisen ...
Das Mädchen schlug die Augen zum Himmel auf und stieß einen Seufzer aus.
Ich bin frei, fuhr Morel fort, ich bin reich genug für uns beide; ich schwöre Ihnen vor Gott, daß Sie meine Frau sein werden, ehe meine Lippen Ihre Stirn berührt haben.
Sie lassen mich zittern! rief das Mädchen.
Folgen Sie mir, sagte Morel; ich führe Sie zu meiner Schwester, die würdig ist, Ihre Schwester zu sein. Wir schiffen uns nach Algier, nach England oder nach Amerika ein, wenn Sie nicht lieber wollen, daß wir uns in irgend eine Provinz zurückziehen, von wo wir erst nach Paris zurückkehren, wenn unsere Freunde den Widerstand Ihrer Familie besiegt haben.
Valentine schüttelte den Kopf und erwiderte: Ich sah das voraus; es ist der Rat eines Wahnsinnigen, und ich wäre noch viel wahnsinniger, als Sie, wenn ich Sie nicht auf der Stelle durch das einzige Wort: Unmöglich, Morel, unmöglich, zurückwiese.
Sie werden also Ihrem Schicksale folgen, ohne auch nur einen Versuch des Widerstandes zu machen? sagte Morel düster.
Ja, und sollte ich darüber sterben.
Wohl! Valentine, versetzte Maximilian, ich wiederhole Ihnen noch einmal, Sie haben recht. In der Tat, ich bin ein Narr, und Sie beweisen mir, daß die Leidenschaft den Geist verblendet. Ich danke Ihnen, die Sie ohne Leidenschaft urteilen. Es ist also abgemacht; morgen sind Sie unwiderruflich mit Herrn Franz d'Epinay verlobt, und zwar durch Ihren eigenen Willen.
Noch einmal sage ich Ihnen, Maximilian, Sie bringen mich in Verzweiflung, noch einmal drehen Sie den Dolch in der Wunde um. Was würden Sie tun, wenn Ihre Schwester auf einen Rat hörte, wie der ist, den Sie mir geben?
Mein Fräulein, erwiderte Morel mit bitterm Lächeln, ich bin ein Selbstsüchtiger, wie Sie gesagt haben, und in meiner Eigenschaft als Selbstsüchtiger denke ich nicht an das, was andere in meiner Lage tun würden, sondern an das, was ich zu tun habe. Ich denke, daß ich Sie seit einem Jahre kenne, daß ich von dem Tage an, wo ich Sie kennen gelernt habe, all mein Glück auf Ihre Liebe gesetzt habe; daß ein Tag gekommen ist, wo Sie mir sagten, Sie lieben mich; daß ich von diesem Tage an meine Zukunft nur in Ihrem Besitz gesehen habe, denn Ihr Besitz war mein Leben. Nun denke ich nichts mehr; ich sage mir nur, ich hatte den Himmel zu gewinnen geglaubt und habe ihn verloren. Es kommt ja alle Tage vor, daß ein Spieler nicht nur das verliert, was er hat, sondern auch das, was er nicht hat.
Morel sprach diese Worte mit vollkommener Ruhe. Valentine schaute ihn einige Sekunden lang mit ihren großen, forschenden Augen an und suchte ihre
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