Der Graf von Monte Christo
noch an irgend einen von denen, die sich auf dem Platze fanden, sondern er dachte an die mutige Frau, die ihn um das Leben ihres Sohnes gebeten, der er das seinige angeboten, und die es ihm durch das furchtbare Geständnis eines Familiengeheimnisses gerettet, das in dem jungen Manne das Gefühl der Sohnesliebe für immer austilgte.
Stets die Vorsehung, murmelte er. Ah! heute erst weiß ich ganz gewiß, daß ich der Abgesandte Gottes bin.
Mutter und Sohn.
Der Graf von Monte Christo grüßte die fünf jungen Männer mit einem Lächeln voll Schwermut und Würde und stieg mit Emanuel und Maximilian wieder in seinen Wagen.
Albert, Beauchamp und Chateau-Renaud blieben allein zurück. Der junge Mann heftete auf seine Zeugen einen Blick, der sie, ohne schüchtern zu sein, doch um ihre Ansicht über das, was vorgefallen war, zu fragen schien.
Meiner Treu, Freund! sagte Beauchamp, erlauben Sie mir, Ihnen Glück zu wünschen; das ist eine sehr unerwartete Entwickelung einer höchst unangenehmen Geschichte.
Albert blieb stumm und in Träumerei versunken. Chateau-Renaud begnügte sich, seinen Stiefel mit seinem Stocke zu peitschen. Gehen wir nicht? sagte er nach peinlichem Stillschweigen.
Wann es Ihnen beliebt, erwiderte Beauchamp; lassen Sie mir nur Zeit, Herrn von Morcerf mein Kompliment zu machen, er hat heute einen Beweis von so ritterlichem, von so ... seltenem Edelmut abgelegt!
Sicher; ich für meine Person wäre dazu unfähig gewesen, versetzte Chateau-Renaud mit immer kälterem Tone.
Meine Herren, unterbrach sie Albert, ich glaube, Sie haben nicht begriffen, daß zwischen Herrn von Monte Christo und mir etwas sehr Ernstes vorgefallen ist ...
Doch! doch! entgegnete Beauchamp rasch; es werden aber nicht alle Pariser imstande sein, Ihren Heldenmut zu begreifen, und früher oder später dürften Sie sich genötigt sehen, ihnen die Sache energischer zu erklären, als es für die Gesundheit Ihres Körpers und für die Dauer Ihres Lebens zuträglich sein möchte. Soll ich Ihnen einen Freundesrat geben? Gehen Sie nach Neapel, nach St. Petersburg, in Länder, wo man im Punkte der Ehre vernünftiger ist, als unsere verbrannten Pariser Gehirne. Sind Sie einmal dort, so schießen Sie mit der Pistole aus Leibeskräften und üben sich in Quarten und Terzen vom Morgen bis in die Nacht. Dann hat man Sie so weit vergessen, daß Sie in einigen Jahren unbehelligt nach Frankreich zurückkehren können, oder Sie sind geübt genug in der Handhabung der Waffen, um Ihre Ruhe wiederzuerobern. Nicht wahr, ich habe recht, Herr von Chateau-Renaud?
Ich bin vollkommen Ihrer Meinung, antwortete der Edelmann, nichts ruft so viele ernste Duelle hervor, als der Rücktritt von einem Duell.
Ich danke, meine Herren, erwiderte Albert mit kaltem Lächeln, ich werde Ihren Rat befolgen, nicht weil Sie mir ihn geben, sondern weil es meine Absicht war, Frankreich zu verlassen. Ich danke Ihnen auch für den Dienst, den Sie mir dadurch geleistet, daß Sie mir als Zeugen dienten. Er ist tief in mein Herz eingegraben, da ich nach den Worten, die ich soeben gehört, mich mir noch seiner erinnere.
Chateau-Renaud und Beauchamp schauten sich an, der Eindruck war bei beiden derselbe, und der Ton, mit dem Morcerf seinen Dank ausgedrückt, trug das Gepräge solcher Entschlossenheit an sich, daß die Lage für alle peinlich geworden wäre, wenn das Gespräch fortgedauert hätte.
Gott befohlen, Albert, sagte plötzlich Beauchamp, dem jungen Manne eine Hand reichend, ohne daß dieser aus seiner Lethargie zu erwachen schien.
Er ergriff in der Tat die Hand nicht.
Gott befohlen! sagte Chateau-Renaud, in der linken Hand sein Stöckchen haltend und mit der rechten grüßend.
Alberts Lippen murmelten kaum: Gott befohlen! Sein Blick war deutlicher, er enthielt ein ganzes Kapitel von gepreßtem Zorn, stolzer Verachtung und edler Entrüstung. Er beobachtete noch eine Zeitlang eine unbewegliche, schwermütige Haltung; dann machte er sein Pferd vom Baume los, sprang leicht in den Sattel und ritt im Galopp nach Paris zurück. Eine Viertelstunde nachher war er im Hofe des Hotels der Rue du Helder.
Als er vom Pferde stieg, glaubte er das bleiche Gesicht seines Vaters in dessen Schlafzimmer zu erblicken; Albert wandte seufzend den Kopf ab und kehrte in seinen Pavillon zurück.
Hier warf er einen letzten Blick auf alles, was ihm das Leben seit seiner Kindheit so süß und so glücklich gemacht hatte. Er beschaute noch einmal diese Gemälde, deren Gesichter ihm zu
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