Der Graf von Monte Christo
lächeln, deren Landschaften Saft und glühende Farben anzunehmen schienen. Dann holte er das Porträt seiner Mutter herunter und nahm es aus dem goldenen Rahmen. Hierauf ordnete er seine schönen türkischen Waffen, seine Gewehre, seine Trinkschalen, seine kunstreichen Bronzen, durchsuchte seine Schränke, warf in eine Schublade seines Sekretärs alles Taschengeld, das er bei sich trug, fügte die tausend Nippsachen hinzu, die sein Zimmer belebt hatten, machte von allem ein genaues Inventar und legte dieses auf die am meisten in die Augen fallende Stelle eines Tisches.
Als er diese Arbeit begann, war sein Diener, trotz Alberts Befehl, ihn allein zu lassen, in sein Zimmer getreten.
Was wollen Sie? fragte ihn Morcerf mit mehr traurigem, als zornigem Tone.
Verzeihen Sie, Herr Vicomte, erwiderte der Kammerdiener, Sie haben mir allerdings verboten, Sie zu stören, aber der Herr Graf von Morcerf läßt mich rufen. Ich wollte mich nicht zu dem Herrn Grafen begeben, ohne vorher Ihre Befehle zu hören.
Warum dies?
Weil der Herr Graf ohne Zweifel weiß, daß ich den Herrn Vicomte auf den Platz begleitet habe, und wenn er mich rufen läßt, so geschieht es ohne Zweifel, um mich über das, was vorgefallen ist, zu befragen. Was soll ich antworten?
Die Wahrheit.
Also werde ich sagen, das Duell habe nicht stattgefunden?
Sie sagen, ich habe mich bei dem Herrn Grafen von Monte Christo entschuldigt; gehen Sie!
Der Kammerdiener verbeugte sich und verließ das Zimmer. Albert ging wieder an sein Inventar. Als er damit fertig war, näherte er sich dem Fenster und sah seinen Vater in seine Kalesche steigen und ausfahren.
Kaum war die Tür des Hotels wieder hinter dem Grafen geschlossen, als Albert sich nach dem Zimmer seiner Mutter wandte, und da niemand anwesend war, ihn zu melden, so drang er bis in Mercedes' Schlafzimmer und blieb, während ihm das Herz anschwoll von dem, was er sah, und von dem, was er erriet, auf der Schwelle stehen.
Als ob diese beiden Körper eine Seele belebt hätte, machte Mercedes in ihrer Wohnung, was Albert in der seinigen getan hatte. Alles war in Ordnung gebracht: die Spitzen, die Schmucksachen, die Juwelen, das Weißzeug und das Geld lagen im Grunde der Schubladen aufgereiht, deren Schlüssel die Gräfin sorgfältig sammelte.
Albert sah alle diese Vorbereitungen; er begriff sie und fiel mit dem Ausrufe: Meine Mutter! Mercedes um den Hals.
Dieser ganze Aufwand von energischer Entschlossenheit, den er ohne weiteres für sich aufgewendet hatte, erschreckte ihn bei seiner Mutter. Was tun Sie denn? fragte er.
Was hast du getan? erwiderte sie.
Oh! meine Mutter, rief Albert so bewegt, daß er kaum sprechen konnte, es ist bei Ihnen etwas anderes, als bei mir; nein, Sie können nicht das gleiche beschlossen haben, wie ich; denn ich will Ihnen eben mitteilen, daß ich Ihrem Hause und ... Ihnen Lebewohl sage.
Albert, ich reise auch. Ich gestehe, ich rechnete darauf, mein Sohn würde mich begleiten. Habe ich mich getäuscht?
Meine Mutter, erwiderte Albert mit Festigkeit, ich kann Sie dieses Schicksal nicht teilen lassen, das ich mir erwähle. Ich muß fortan ohne Namen und ohne Vermögen leben. Um die Lehrzeit dieses rauhen Daseins durchzumachen, muß ich von einem Freunde das Brot entleihen, das ich bis zu dem Augenblick essen werde, wo ich anderes verdiene.
Du, mein armes Kind, rief Mercedes, du sollst Armut erdulden, sollst Hunger fühlen? Oh! sage dies nicht, du würdest alle meine Entschließungen umstoßen.
Doch nicht die meinigen, Mutter, entgegnete Albert. Ich bin jung, stark und mutig und habe seit gestern gelernt, was der Wille vermag. Es gibt Menschen, die so viel gelitten, und nicht nur nicht gestorben sind, sondern sich sogar ein neues Glück auf den Trümmern aller Hoffnungen, die ihnen Gott gegeben, aufgebaut haben! Ich habe dies erfahren, meine Mutter, ich habe diese Menschen gesehen, ich weiß, daß sie sich aus der Tiefe des Abgrundes, in den sie ihre Feinde gestoßen, mit so viel Kraft und Ruhm wieder erhoben, daß sie ihre ehemaligen Besieger beherrschten. Nein, meine Mutter, nein; ich habe von diesem Augenblick an mit der Vergangenheit gebrochen und nehme nichts mehr von ihr an, nicht einmal meinen Namen; denn Sie begreifen, Ihr Sohn kann nicht den Namen eines Menschen führen, der vor andern erröten muß!
Albert, mein Kind, wenn ich ein stärkeres Herz gehabt hätte, so würde ich dir diesen Rat gegeben haben; dein Gewissen hat gesprochen, während meine erloschene Stimme
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