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Der Graf von Monte Christo

Der Graf von Monte Christo

Titel: Der Graf von Monte Christo Kostenlos Bücher Online Lesen
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Die Giftmischerin hatte nichts mehr in diesem Zimmer zu tun; sie wich langsam, den Vorhang noch immer haltend und wie gebannt durch den Anblick des Opfers, so behutsam zurück, daß sie das Geräusch ihrer Füße auf dem Teppiche zu fürchten schien.
    In diesem Augenblick verdoppelte sich das Geknister der Nachtlampe. Frau von Villefort bebte bei diesem Geräusch und ließ den Vorhang fallen. Dann erlosch die Lampe, und das Zimmer versank in eine furchtbare Dunkelheit.
    In dieser Dunkelheit erwachte die Pendeluhr und schlug halb vier. Erschrocken über diese aufeinander folgenden Geräusche, erreichte die Giftmischerin tappend die Tür, und kehrte, den Angstschweiß auf der Stirn, in ihr Zimmer zurück. Die Dunkelheit dauerte noch zwei Stunden.
    Allmählich drang ein bleicher Tag durch die Zwischenräume der Läden, und das Licht wurde nach und nach stärker und gab den Gegenständen und Körpern Farbe und Form zurück. Jetzt hörte man das Husten der Krankenwärterin auf der Treppe, und diese Frau trat, eine Tasse in der Hand, ein. Sie hielt Valentine noch für schlafend und sagte: Gut! sie hat getrunken, das Glas ist zu zwei Dritteln leer. Dann ging sie an den Kamin, zündete Feuer an, setzte sich in ihren Lehnstuhl und benutzte, obgleich sie erst aus ihrem Bette kam, Valentines Schlaf, um selbst noch einige Augenblicke zu schlummern. Die Pendeluhr erweckte, die Wärterin, als sie acht Uhr schlug. Erstaunt über den hartnäckigen Schlaf, in dem Valentine verharrte, erschrocken über den aus dem Bette hängenden Arm, ging sie näher und bemerkte jetzt erst die kalten Lippen und die eisige Brust. Sie wollte den Arm zum Körper heraufziehen; doch mit jener furchtbaren Steifheit, die für eine Wärterin keinen Zweifel übrig ließ, widerstand der Arm.
    Sie stieß einen furchtbaren Schrei aus, lief an die Tür und rief: Zu Hilfe! zu Hilfe!
    Wie! zu Hilfe? entgegnete unten an der Treppe Herrn d'Avrignys Stimme.
    Es war die Stunde, zu der der Doktor gewöhnlich kam.
    Wie! zu Hilfe! rief Herr von Villefort, aus seinem Kabinett stürzend, Doktor, haben Sie nicht um Hilfe rufen hören?
    Ja, ja, gehen Sie rasch hinauf, es ist bei Valentine, antwortete d'Avrigny.
    Doch ehe der Arzt und der Vater hinaufkamen, waren die Diener, welche sich in den Zimmern und Gängen befanden, bei Valentine eingetreten, und als sie diese bleich und unbeweglich auf ihrem Bette sahen, hoben sie die Hände zum Himmel empor und wankten, wie vom Schwindel erfaßt.
    Ruft Frau von Villefort! Weckt Frau von Villefort! schrie der Staatsanwalt vor der Tür des Zimmers, in das er, wie es schien, nicht einzutreten wagte.
    Doch statt zu antworten, schauten die Diener Herrn d'Avrigny an, der auf Valentine zugelaufen war und sie in seinen Armen aufhob.
    Auch diese ... murmelte er und ließ sie zurückfallen. Oh! mein Gott! mein Gott! wann wirst du müde werden?
    Villefort stürzte in das Zimmer.
    Was sagen Sie? rief er, die Hände zum Himmel emporstreckend, Doktor! ... Doktor! ...
    Ich sage, daß Valentine tot ist, antwortete d'Avrigny mit feierlichem und in seiner Feierlichkeit schrecklichem Tone.
    Herr von Villefort sank zusammen, wie wenn seine Beine gebrochen wären, und fiel mit dem Kopf auf das Bett seiner Tochter.
    Bei den Worten des Doktors, bei dem Geschrei des Vaters entflohen die Diener voll Schrecken und unter dumpfen Verwünschungen. Man hörte auf den Treppen und in den Gängen hastige Tritte – dann war alles vorbei, der Lärm verklang; von dem ersten bis zum letzten hatten sie das verfluchte Haus verlassen.
    In diesem Augenblick hob Frau von Villefort, den Arm halb in ihr Morgengewand gehüllt, den Türvorhang auf; einen Augenblick blieb sie auf der Schwelle, scheinbar die Anwesenden befragend und ein paar widerwillige Tränen zu Hilfe rufend.
    Plötzlich machte sie, die Arme gegen den Nachttisch ausstreckend, einen Schritt oder vielmehr einen Sprung vorwärts.
    Sie hatte gesehen, wie sich d'Avrigny neugierig über diesen Tisch beugte und das Glas nahm, von dem sie gewiß wußte, daß sie den Inhalt in die Asche geschüttet hatte.
    Hätte sich das Gespenst des Opfers vor der Giftmischerin erhoben, es hätte keine solche Wirkung auf sie hervorbringen können. Hat sie nicht den Rest des Trankes vorsichtig ausgeschüttet? Es muß ein Wunder sein, das Gott ohne Zweifel getan, damit eine Spur des Verbrechens zurückbleibe.
    Während Frau von Villefort unbeweglich wie eine Bildsäule des Schreckens dastand, während Villefort, den Kopf in den

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