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Der Graf von Monte Christo

Der Graf von Monte Christo

Titel: Der Graf von Monte Christo Kostenlos Bücher Online Lesen
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in Ihrer Kehle seit, stellen Sie sich schlafend, und Sie werden sehen. Valentine faßte den Grafen bei der Hand und sagte: Es scheint mir, ich höre Geräusch, entfernen Sie sich!
    Leben Sie wohl, oder vielmehr auf Wiedersehen, sagte der Graf. Dann kehrte er mit einem so traurigen und so väterlichen Lächeln, daß das Herz des Mädchens davon durchdrungen wurde, zur Tür der Bibliothek zurück. Doch wandte er sich noch einmal um und flüsterte: Keine Gebärde, kein Wort; man muß Sie für eingeschlafen halten, sonst tötet man Sie vielleicht, ehe ich Zeit hätte herbeizukommen.

Lorusta.
     
    Valentine blieb allein; zwei Pendeluhren schlugen kurz nacheinander Mitternacht. Dann herrschte wieder, von ein paar Wagen abgesehen, die man in der Entfernung rollen hörte, völlige Todesstille.
    Sie fing an, die Sekunden zu zählen, und bemerkte, daß sie um das Doppelte langsamer waren, als die Schläge ihres Herzens. Dennoch zweifelte sie. Die harmlose Valentine konnte sich nicht vorstellen, es wünsche irgend jemand ihren Tod. Warum? In welcher Absicht? Was hatte sie Böses getan, um jemandes Feindschaft auf sich zu ziehen?
    Ein Gedanke, ein einziger, furchtbarer Gedanke hielt ihren Geist gespannt, der Gedanke, es sei eine Person auf der Welt, die sie zu ermorden versucht habe und es abermals versuchen würde. Wenn diese Person diesmal, wie es der Graf von Monte Christo gesagt, ihre Zuflucht zum Eisen nahm! Wenn der Graf nicht mehr Zeit hatte, herbeizueilen! Wenn sie ihrem letzten Augenblicke nahe stände, wenn sie Morel nicht mehr wiedersehen sollte!
    Bei diesem Gedanken, der sie zugleich mit Leichenblässe und mit eisigem Schweiße bedeckte, war Valentine nahe daran, nach der Glockenschnur zu greifen und um Hilfe zu rufen. Zwanzig Minuten, zwanzig Ewigkeiten verliefen so, dann noch zehn weitere Minuten; endlich schlug die Pendeluhr einmal auf das hellklingende Glöckchen.
    In demselben Augenblicke sagte der Kranken ein unmerkliches Kratzen des Nagels an der Wand der Bibliothek, daß der Graf wachte und ihr zu wachen empfahl.
    Auf der entgegengesetzten Seite, nämlich in der Richtung von Eduards Zimmer, glaubte Valentine wirklich den Boden knacken zu hören; sie horchte, ihren beinahe erstickten Atem zurückhaltend; die Türklinke knirschte, und die Tür drehte sich auf ihren Angeln.
    Valentine hatte sich auf ihren Ellenbogen erhoben; es blieb ihr kaum Zeit, sich auf ihr Bett zurückfallen zu lassen und ihre Augen unter ihrem Arm zu verbergen. Dann wartete sie, zitternd, erschüttert, mit einem von unsäglicher Angst zusammengeschnürten Herzen.
    Es näherte sich jemand dem Bette und streifte die Vorhänge. Valentine raffte alle ihre Kräfte zusammen und ließ das regelmäßige Gemurmel des Atems vernehmen, das einen ruhigen Schlaf andeutet.
    Valentine! sprach ganz leise eine Stimme.
    Dasselbe Schweigen: Valentine hatte versprochen, nicht zu erwachen und nicht zu sprechen.
    Dann blieb alles still; Valentine hörte nur das beinahe unmerkliche Geräusch, wie eine Flüssigkeit in das Glas gegossen wurde, das sie geleert hatte.
    Nun wagte sie es, unter dem Schirm ihres ausgestreckten Armes halb ihr Augenlid zu öffnen. Sie sah eine Frau in weißem Nachtkleide, die aus einer Phiole eine Flüssigkeit in ihr Glas leerte.
    Während dieses kurzen Augenblicks hielt Valentine vielleicht ihren Atem zurück, oder sie machte irgend eine Bewegung, denn die Frau schaute unruhig auf und neigte sich über ihr Bett, um zu sehen, ob sie wirklich, schlafe: es war Frau von Villefort. Als Valentine ihre Stiefmutter erkannte, wurde sie von einem so jähen Schauer ergriffen, daß sich ihr Bett bewegte.
    Frau von Villefort drückte sich sogleich an die Wand und beobachtete hier, vom Bettvorhang gedeckt, ihr Opfer stumm und aufmerksam.
    Valentine erinnerte sich der furchtbaren Worte Monte Christos; es war ihr vorgekommen, als hätte sie in der Hand, welche die Phiole nicht hielt, ein langes, scharfes Messer glänzen sehen, und sie rief ihre ganze Willenskraft zu Hilfe, um die Augen zu schließen.
    Durch die Stille, in der sich das gleichmäßige Geräusch des Atemholens der Kranken wieder hören ließ, sicher gemacht, streckte Frau von Villefort abermals den Arm aus und goß, halb verborgen hinter dem oben am Bette zusammengezogenen Vorhang, den Inhalt der Phiole vollends in Valentines Glas.
    Dann entfernte sie sich, ohne das geringste Geräusch zu verursachen. Es läßt sich nicht ausdrücken, was Valentine während der letzten anderthalb Minuten

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