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Der Graf von Monte Christo

Der Graf von Monte Christo

Titel: Der Graf von Monte Christo Kostenlos Bücher Online Lesen
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ist Edmond Dantes! Doch der Graf hielt ihn zurück.
    Julie stürzte auf die Hand des Grafen, Emanuel umfaßte ihn wie einen Schutzgott, Morel fiel zum zweiten Male auf die Knie und schlug mit der Stirn aus den Boden.
    Da fühlte der eherne Mann, wie sein Herz sich in seiner Brust erweiterte; die verzehrende Flamme stieg von seiner Kehle in seine Augen, er neigte das Haupt und weinte!
    Einige Augenblicke erfüllte das Zimmer ein Zusammenklang edler Herzensergüsse, der den Bewohnern des Himmels harmonisch geklungen haben müßte.
    Julie hatte sich kaum von ihrer tiefen Erschütterung erholt, als sie hinausstürzte, die Treppe hinabeilte, mit einer kindischen Freude in den Salon lief und die kristallene Kugel aufhob, welche die ihr von dem Unbekannten der Allées de Meillan geschenkte Börse beschützte.
    Während dieser Zeit sprach Emanuel mit erschütterter Stimme zum Grafen: Oh! Herr Graf, wie konnten Sie, der uns so oft von unserem unbekannten Wohltäter sprechen hörte, wie konnten Sie bis heute warten, ohne sich uns zu offenbaren? Oh! das ist eine Grausamkeit gegen uns, und ich möchte beinahe sagen, Herr Graf, gegen Sie selbst.
     

     
    Hören Sie, mein Freund, erwiderte der Graf, so kann ich Sie nennen, denn ohne es zu vermuten, sind Sie mein Freund seit elf Jahren, die Entdeckung dieses Geheimnisses ist durch ein großes Ereignis herbeigeführt worden, das Sie nicht kennen sollen. Gott ist mein Zeuge, ich wollte es mein ganzes Leben hindurch im Grunde meiner Seele begraben halten; Ihr Schwager Maximilian hat es mir durch seine Heftigkeit entrissen, die er, ich bin fest überzeugt, bereut.
    Dann schaute er Maximilian an, der sich, obgleich auf den Knien verharrend, gegen einen Lehnstuhl gewendet hatte, und fügte ganz leise, Emanuel auf eine bezeichnende Weise die Hände drückend, hinzu: Wachen Sie über ihn.
    Warum? fragte der junge Mann erstaunt.
    Ich kann es Ihnen nicht sagen; doch wachen Sie über ihn.
    Jetzt kam Julie wieder herauf; sie hielt die seidene Börse in der Hand, und zwei glänzende, freudige Tränen rollten wie zwei Tropfen Morgentau über ihre Wangen. Das ist die Reliquie, sagte sie; glauben Sie nicht, daß sie mir minder teuer ist, seitdem wir den Retter kennen.
    Mein Kind, antwortete Monte Christo errötend, erlauben Sie mir, diese Börse zurückzunehmen; nun da Sie die Züge meines Gesichtes kennen, will ich in Ihrer Erinnerung nur durch die Zuneigung leben, die Sie mir auf meine Bitte gewähren werden.
    Oh! nein, nein, ich flehe Sie an, sagte Julie, die Börse an ihr Herz drückend, denn eines Tages könnten Sie uns verlassen, ja Sie werden uns leider verlassen; nicht wahr?
    Sie haben richtig erraten, erwiderte Monte Christo lächelnd; in acht Tagen bin ich von diesem Lande entfernt, wo so viele Leute, die des Himmels Rache verdient hätten, glücklich lebten, während mein Vater vor Hunger und Schmerz starb.
    Als er seine nahe Abreise ankündigte, heftete Monte Christo seine Augen auf Morel, und er bemerkte, daß diese Worte ihn keinen Augenblick seinem Tiefsinn zu entziehen vermochten. Er sah ein, daß er einen letzten Kampf mit dem Schmerze seines Freundes bestehen mußte; er nahm daher Julies und Emanuels Hände in die seinigen und sprach mit der sanften Würde eines Vaters: Meine lieben Freunde, ich bitte Euch, laßt mich mit Maximilian allein.
    Der Graf blieb allein mit Morel, der unbeweglich wie eine Bildsäule verharrte.
    Laß hören, sagte der Graf, Maximilians Schulter mit seinem glühenden Finger berührend, wirst du endlich wieder ein Mensch, Maximilian?
    Ja, denn ich fange an zu leiden.
    Maximilian! Maximilian! sagte der Graf düster, die Gedanken, in welche du dich versenkst, sind eines Christen unwürdig.
    Oh! Beruhigen Sie sich, Freund, sagte Morel, das Haupt erhebend und dem Grafen ein Lächeln voll unaussprechlicher Traurigkeit zeigend, ich werde den Tod nicht mehr suchen.
    Also keine Waffen, keine Verzweiflung mehr?
    Nein, denn ich habe etwas Besseres, um mich von meinem Schmerze zu heilen, als den Lauf einer Pistole oder die Spitze eines Messers.
    Armer Narr! ... Was hast du denn?
    Ich habe meinen Schmerz, der mich töten wird.
    Freund, sagte Monte Christo mit derselben Schwermut, wie Maximilian, höre mich! Eines Tages wollte ich im Augenblick einer Verzweiflung, die der deinigen gleichkam, mich töten wie du, und in eben solcher Verzweiflung wollte sich eines Tages auch dein Vater töten. Wenn man deinem Vater in dem Augenblick, wo er den Pistolenlauf gegen seine

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