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Der Graf von Monte Christo

Der Graf von Monte Christo

Titel: Der Graf von Monte Christo Kostenlos Bücher Online Lesen
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Gemahlin!
    Wenn Sie diesen Brief empfangen, haben Sie keinen Gatten mehr! Oh! erschrecken Sie darüber nicht zu sehr; Sie haben keinen Gatten mehr, wie Sie keine Tochter mehr haben; ich werde nämlich auf einer von den dreißig Straßen sein, die aus Frankreich führen.
    Ich bin Ihnen eine Erläuterung schuldig: Eine Zahlung von fünf Millionen kam mir heute früh unversehens, ich habe sie ausgeführt; eine andere von derselben Summe sollte fast unmittelbar daraus erfolgen; ich vertage sie auf morgen und reise heute ab, um dieses Morgen zu vermeiden, das mir unerträglich wäre.
    Nicht wahr, Sie begreifen das, Madame und sehr kostbare Gemahlin? Ich sage: Sie begreifen das, weil Sie ebensogut wie ich meine Angelegenheiten kennen, Sie kennen sie sogar noch besser als ich, denn wenn es sich darum handelte, anzugeben, wohin eine gute Hälfte meines jüngst noch so schönen Vermögens gekommen ist, so vermöchte ich dies nicht, während Sie im Gegenteil, davon bin ich fest überzeugt, vollständig zu antworten wüßten.
    Haben Sie sich über die Schnelligkeit meines Sturzes gewundert, Madame? Waren Sie geblendet durch das weißglühende Schmelzen meiner Goldstangen? Ich meinerseits gestehe, daß ich nur das Feuer dabei gesehen habe; wir wollen hoffen, daß Sie etwas Gold in der Asche fanden.
    Mit dieser tröstlichen Hoffnung entferne ich mich, Madame und sehr kluge Gemahlin, ohne daß mir mein Gewissen den geringsten Vorwurf darüber macht, daß ich Sie verlasse; es bleiben Ihnen Freunde, die fragliche Asche und, um Ihr Glück vollzumachen, die Freiheit, die ich Ihnen wiederzugeben mich beeile.
    Es ist indessen der Augenblick gekommenen, Madame, hier ein Wort vertraulicher Erklärung einfließen zu lassen. Solange ich hoffte, Sie arbeiteten für die Wohlfahrt unseres Hauses, für das Vermögen Ihrer Tochter, machte ich philosophisch die Augen zu; da Sie aber aus diesem Hause eine große Ruine gemacht haben, so will ich nicht als Grundlage für das Vermögen eines andern dienen. Ich habe Sie reich, aber wenig geehrt zu mir genommen. Verzeihen Sie mir, daß ich so offenherzig mit Ihnen spreche, da ich aber ohne Zweifel nur für uns beide spreche, sehe ich nicht ein, warum ich die Worte unter einer Schminke verbergen sollte ... Ich habe unser Vermögen vermehrt, und es nahm fünfzehn Jahre lang zu, bis zu dem Augenblick, wo unbekannte und für mich noch unbegreifliche Katastrophen es packten und erdrosselten, ohne daß ich, das darf ich wohl sagen, die geringste Schuld daran habe. Sie, Madame, haben nur für Vermehrung des Ihrigen gearbeitet, was Ihnen gelungen ist, davon bin ich überzeugt. Ich lasse Sie also, wie ich Sie genommen habe, reich, aber wenig ehrenwert, zurück.
    Leben Sie wohl. Von heute an gedenke ich auch für meine Rechnung zu arbeiten. Glauben Sie mir, daß ich Ihnen sehr dankbar für das Beispiel bin, das Sie mir gegeben haben, und das ich befolgen werde.
    Ihr
    sehr ergebener Gatte
    Baron Danglars.
     
    Die Baronin folgte während des Lesens Debray mit den Augen; sie sah den jungen Mann, trotz seiner großen Selbstbeherrschung, wiederholt die Farbe wechseln.
    Als er geendet hatte, faltete er das Papier langsam zusammen und nahm eine nachdenkliche Haltung an.
    Nun? fragte Madame Danglars mit einer leicht begreiflichen Angst, welchen Gedanken flößt Ihnen dieser Brief ein?
    Das ist ganz einfach; er flößt mir den Gedanken ein, daß Herr Danglars mit einem Verdacht abgereist ist. Sicher; doch ist das alles, was Sie mir zu sagen haben? Ich begreife nicht.
    Er ist abgereist, um nie wiederzukommen!
    Oh! Glauben Sie das nicht! rief Debray.
    Nein, sage ich Ihnen, er wird nicht wiederkommen; ich kenne ihn, er ist ein unerschütterlicher Mann in allen Entschließungen, die sein Interesse erheischt. Hätte er mich zu etwas nütze geglaubt, so würde er mich mitgenommen haben; er läßt mich hier, weil unsere Trennung seinen Plänen dienlich sein kann. Sie ist also unwiderruflich, und ich bin für immer frei, fügte Madame Danglars mit demselben fragenden Ausdrucke hinzu.
    Doch statt zu antworten, ließ sie Debray in diesem angstvollen, erwartungsvollen Zustand verharren.
    Wie! sagte sie endlich, Sie antworten mir nicht?
    Ich habe Sie nur eins zu fragen: Was gedenken Sie zu tun?
    Das wollte ich Sie fragen, erwiderte die Baronin mit pochendem Herzen, ich verlange einen Rat von Ihnen.
    Wenn Sie einen Rat wollen, entgegnete der junge Mann kalt, so rate ich Ihnen, zu reisen. – Sie sind, wie Herr Danglars gesagt hat,

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