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Der Graf von Monte Christo

Der Graf von Monte Christo

Titel: Der Graf von Monte Christo Kostenlos Bücher Online Lesen
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Veränderung, ganz gleich was für eine, war doch immer eine Veränderung und sollte ihm wenigstens für ein paar Tage Zerstreuung verschaffen. Er bat um einen Spaziergang, um Luft, Bücher, Instrumente. Nichts wurde ihm gewährt. Trotzdem fuhr er fort zu flehen. Er hatte sich daran gewöhnt, mit seinem neuen Gefangenenwärter zu sprechen, obgleich dieser womöglich noch stummer war, als der vorhergehende; aber mit einem Menschen zu sprechen, wenn auch mit einem stummen, war für den Armen schon ein Vergnügen; er redete, um den Ton seiner eigenen Stimme zu hören. Er hatte auch versucht, zu sprechen, wenn er allein war, aber dann fürchtete er sich vor sich selbst.
    Eines Tages ersuchte er sogar den Kerkermeister, er möge dem Gouverneur seine Bitte um einen Gefährten vortragen, und wäre es auch der verrückte Abbé, von dem er hatte sprechen hören; man schlug ihm seine Bitte ab.
    Nachdem Dantes vergeblich alle menschlichen Hilfsmittel erschöpft hatte, kehrte er, wie es nicht anders sein konnte, zu Gott zurück. Er erinnerte sich der Gebete, die ihn seine Mutter gelehrt hatte, und fand in ihnen einen ihm früher unbekannten Sinn; er betete aber nicht mit Inbrunst, sondern mit Leidenschaft. Wenn er laut betete, erschrak er auch nicht mehr über seine Worte, sondern er geriet in Entzückung; er sah Gott bei jedem Worte erscheinen, das er aussprach. Alle Handlungen seines bescheidenen Lebens bezog er auf den Willen dieses mächtigen Gottes, entnahm sich Lehren daraus und stellte sich Aufgaben, die er erfüllen wollte, und am Ende jedes Gebetes schlich sich der eigennützige Wunsch ein, den die Menschen viel öfter an ihre Mitmenschen, als an Gott zu richten Gelegenheit haben: Und vergib uns unsere Schuld, wie wir vergeben unsern Schuldigern!
    Trotz seiner heißen Gebete blieb Dantes gefangen.
    Nun verdüsterte sich sein Geist, und die Wolke vor seinenAugen wurde immer schwerer. Dantes war ein einfacher Mensch ohne Erziehung und ohne größeres Wissen, das ihm in seiner Einsamkeit hätte Trost und Unterhaltung bieten können. Auf seine schwärmerisch-religiöse Aufregung folgte die Wut. Er schleuderte Gotteslästerungen um sich, vor denen der Kerkermeister vor Abscheu zurückwich. Er raste mit seinem Leibe gegen die Mauern des Gefängnisses, er griff in voller Wut nach allem, was ihn umgab, bei dem geringsten Ärger, den ein Sandkorn, ein Strohhalm, ein Windhauch in ihm erregte. Dann erinnerte er sich des denunzierenden Briefes, den er gesehen, den ihm Villefort gezeigt, den er berührt hatte, und jeder Buchstabe kam wie ein züngelndes Feuer aus der Mauer hervor. Er sagte sich, es sei der Haß der Menschen und nicht die Rache Gottes, die ihn in diesen Abgrund gestürzt. Er überlieferte diese unbekannten Menschen allen Strafen, die seine glühende Einbildungskraft zu ersinnen vermochte, und fand, daß die furchtbarsten noch zu leicht und besonders zu kurz für sie wären; denn nach den Strafen kam der Tod, und der Tod war, wenn nicht die Ruhe, doch wenigstens die Unempfindlichkeit, die ihr gleicht.
    Dadurch, daß er sich in Beziehung auf seine Feinde immer wieder sagte, die Ruhe sei im Tode, und der, welcher grausam bestrafen wolle, bedürfe anderer Mittel, als des Todes, verfiel er auf Selbstmordgedanken. Wehe dem, der auf dem Abhang des Unglücks bei diesen unseligen Gedanken stille steht! Wird man von ihnen einmal recht gepackt, so ist alles vorbei, und jeder Versuch, den er unternimmt, reißt den Unglücklichen nur noch mehr in die Arme des Todes.
    Sobald dieser Gedanke in dem Geiste des jungen Mannes gekeimt hatte, wurde er sanfter, freundlicher, er fügte sich besser in sein hartes Bett und in sein schwarzes Brot, aß weniger, schlief nicht mehr und fand diesen Rest des Daseins, den er ja, wann er wollte, von sich zu werfen vermochte, fast erträglich. Es gab zwei Mittel zu sterben. Das eine war einfach: er durfte nur sein Taschentuch an eine Fensterstangebinden und sich daran hängen; das andere bestand darin, daß er sich stellte, als äße er, und sich doch Hungers sterben ließ. Das erste widerstrebte Dantes. Er war im Abscheu vor den Seeräubern aufgewachsen, vor diesen Menschen, die man an den Raen aufhängt; das Hängen war für ihn eine Art von entehrender Strafe, die er nicht an sich selbst vollziehen wollte. Er wählte also das zweite Mittel und begann die Ausführung noch an demselben Tage.
    Es waren nun beinahe vier Jahre hingegangen. Am Ende des zweiten hatte Dantes die Tage zu zählen aufgehört

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