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Der Graf von Monte Christo

Der Graf von Monte Christo

Titel: Der Graf von Monte Christo Kostenlos Bücher Online Lesen
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und von neuem die Kenntnis der Zeit verloren. Er hatte sich gesagt: Ich will sterben, und die Todesart gewählt; er hatte sich die Tat fest vorgenommen und aus Furcht, er könnte von seinem Entschlusse abgehen, sich selbst einen Eid geleistet, so zu sterben. Wenn man mir mein Frühstück und mein Abendbrot bringt, sagte er sich, so werfe ich die Speisen zum Fenster hinaus, und man wird glauben, ich habe sie verzehrt.
    Er tat, wie er es sich gelobt hatte. Zweimal des Tages warf er durch die kleine, vergitterte Öffnung, die ihn nur den Himmel erschauen ließ, die Speisen, anfangs heiter, dann mit Überlegung und endlich mit Bedauern. Die Lebensmittel, die ihn einst angewidert hatten, ließ jetzt der scharfzähnige Hunger seinem Auge appetitlich und seiner Nase köstlich erscheinen. Zuweilen hielt er eine Stunde lang die Platte, auf der sie lagen, in der Hand, das Auge starr auf ein Stück faules Fleisch, auf den übelriechenden Fisch und auf das schwarze, schimmelige Brot richtend. Es waren die letzten Instinkte des Lebens, die noch in ihm kämpften und seinen Entschluß wankend machten. Dann erschien ihm sein Kerker nicht mehr so düster und sein Zustand minder verzweiflungsvoll. Er war noch jung, er mußte erst fünf- oder sechsundzwanzig Jahre alt sein, es blieben ihm noch fünfzig Jahre zu leben übrig, das heißt, zweimal so viel, als er bereits gelebt hatte. Welche Ereignisse konnten während diesesunermeßlichen Zeitraumes die Türen sprengen, die Mauern des Kastells If umstürzen und ihm die Freiheit wiedergeben! Dann näherte er seine Zähne dem Mahle, das er, ein freiwilliger Tantalus, selbst von seinem Munde entfernte. Doch er erinnerte sich seines Schwures, und seine edle Natur schrak zu sehr davor zurück, sich selbst verachten zu müssen, als daß sie diesen Schwur verletzt hätte. Er zerstörte also streng und unbarmherzig das wenige Leben, das ihm noch übrig blieb, und es erschien ein Tag, wo er nicht mehr die Kraft hatte, aufzustehen, um das Abendbrot, das man ihm brachte, durch das Luftloch zu werfen.
    Am andern Tage sah er nichts mehr, und auch sein Gehör war schon merklich schwächer geworden. Der Kerkermeister glaubte an eine ernste Krankheit; Edmond hoffte auf einen nahen Tod. So verlief der Tag. Edmond fühlte, daß eine Art Erstarrung, die ihm ein gewisses Wohlbehagen bereitete, sich seiner bemächtigte. Die Zuckungen seines Magens hatten sich gemildert. Wenn er die Augen schloß, sah er eine Anzahl glänzender Punkte, Irrlichtern gleich, über die Wände tanzen. Es war die Dämmerung des unbekannten Landes, das man den Tod nennt.
    Plötzlich vernahm er abends 9 Uhr ein dumpfes Geräusch an der Wand, an der er lag. – Ratten und ähnliche Tiere hatten in seinem Kerker so oft Lärm gemacht, daß Edmond allmählich in seinem Schlaf durch solche Kleinigkeiten nicht mehr gestört wurde. Aber dieser Lärm war so stark und so eigentümlich, daß er sich erhob, um besser zu hören.
    Es war ein Kratzen, das von einer ungeheuren Kralle, einem mächtigen Zahn, oder vom Druck irgend eines Werkzeuges auf die Steine herzurühren schien.
    Trotz seines geschwächten Zustandes wurde der junge Mann durch den beständig den Geist des Gefangenen beschäftigenden Gedanken an die Freiheit heftig bewegt. Da aber dieses Geräusch gerade in dem Augenblick laut wurde, wo alles Geräusch für ihn aufhören sollte, so schien es ihm, als wolltesich Gott endlich barmherzig gegen seine Leiden zeigen und ihm durch dieses Geräusch verkündigen, er solle am Rande des Grabes, an dem bereits sein Fuß wankte, still stehen. Wer konnte wissen, ob nicht einer von seinen Freunden, eines von den geliebten Wesen, an die er so oft gedacht hatte, sich in diesem Augenblicke mit ihm beschäftigte und die Entfernung, die sie voneinander trennte, aufzuheben suchte?
    Aber nein, er täuschte sich ohne Zweifel und wurde von einem Traume verführt, wie sie die Pforte des Todes umschweben.
    Jedoch das Geräusch hörte nicht auf; es dauerte ungefähr drei Stunden; dann vernahm Edmond eine Art von Rollen, und nun verstummte das Geräusch, um erst nach einigen Stunden wieder näher und näher zu ertönen. Schon war sein Interesse für diese sonderbaren Töne, die auf ihn Beziehung zu haben schienen, erwacht, da plötzlich trat der Gefangenwärter ein.
    Seit den acht Tagen, da er zu sterben beschlossen hatte, hatte Edmond mit diesem Menschen kein Wort gesprochen. Er antwortete ihm nicht, wenn er ihn fragte, von welcher Krankheit er befallen sei,

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