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Der Graf von Monte Christo

Der Graf von Monte Christo

Titel: Der Graf von Monte Christo Kostenlos Bücher Online Lesen
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Edmond hatte die vorigen bereits verschlungen; er verschlang auch diese, horchte unablässig auf das Geräusch, das nicht wieder kam, fürchtete, es könnte für immer aufgehört haben, legte fünf bis sechs Meilen in seinem Kerker zurück, rüttelte zwei Stunden langan den eisernen Stangen seines Luftloches und gab seinen Gliedern dadurch die längst entbehrte Geschmeidigkeit und Stärke wieder. In den Zwischenräumen dieser fieberhaften Tätigkeit horchte er, ob das Geräusch nicht wiederkehrte, und er ärgerte sich über die Klugheit des Gefangenen, der nicht vermuten konnte, daß er in seinem Befreiungswerke von einem andern Gefangenen gestört worden sei, der wenigstens ebenso große Eile hatte, frei zu werden, wie er selbst.
    Es vergingen drei Tage, zweiundsiebzig tödliche Stunden, Minute um Minute abgezählt.
    Endlich, eines Abends, als der Wärter seinen letzten Besuch gemacht hatte, als Dantes zum hundertstenmal sein Ohr an die Wand hielt, schien es ihm, als ob eine unmerkliche Erschütterung dumpf in seinem Kopfe, den er an die schweigenden Steine gelegt hatte, wiederklinge.
    Er wich zurück, um sein erregtes Gehirn ins Gleichgewicht zu bringen. Dann machte er einige Schritte im Zimmer und hielt nun erst wieder sein Ohr an denselben Ort. Es unterlag keinem Zweifel mehr, es ging etwas auf der anderen Seite vor. Der Gefangene hatte die Gefahr erkannt und, um seine Arbeit sicherer fortzusetzen, statt eines Meißels ein Hebeisen genommen.
    Durch diese Entdeckung ermutigt, beschloß Edmond, dem unbekannten Arbeiter zu Hilfe zu kommen. Er fing damit an, daß er sein Bett wegrückte, hinter dem ihm das Befreiungswerk ausgeführt zu werden schien; dann suchte er einen Gegenstand, mit dem er die Wand aufritzen, den feuchten Mörtel herausbrechen und einen Stein losmachen könnte. – Nichts zeigte sich seinem Auge. Er besaß weder ein Messer, noch irgend ein anderes schneidendes Instrument. Eisen war nur an seinen Fensterstangen vorhanden, und er hatte sich oft genug überzeugt, daß sie zu fest eingelötet waren, um sich lösen zu lassen.
    Das ganze Gerät seines Zimmers bestand aus einem Bett, einem Stuhle, einem Tische, einem Eimer und einemKruge. An dem Bett waren wohl eiserne Bänder, aber sie waren durch Schrauben am Holz befestigt. Man hätte einen Schraubenzieher haben müssen, um sie loszumachen. An dem Tische und dem Stuhle war nichts. Am Eimer fehlte der Henkel. Es gab für Dantes nur noch ein Mittel: seinen Krug zu zerbrechen und mit einem Scherben sich an die Arbeit zu machen. Er ließ seinen Krug auf den Boden fallen, daß er in Stücke zerbrach. Dantes wählte einige spitzige Scherben, verbarg sie in seinem Strohsack und ließ die andern auf der Erde liegen. Das Zerbrechen des Kruges war eine so nahe liegende Möglichkeit, daß es keinen Argwohn erregen konnte.
    Edmond hatte die ganze Nacht zum Arbeiten; doch in der Dunkelheit ging es schlecht vorwärts, denn er mußte tastend arbeiten, und er fühlte bald, daß sich sein schwaches Werkzeug an dem Sandstein abstumpfte, der härter war, als das Instrument. Er stieß also sein Bett wieder zurück und wartete den Tag ab. Mit der Hoffnung war auch die Geduld zurückgekehrt. Die ganze Nacht hindurch hörte und horchte er auf den unbekannten Gräber, der sein unterirdisches Werk fortsetzte.
    Der Tag erschien, und der Wärter trat ein. Dantes erzählte ihm, er habe am Abend zuvor aus dem Kruge getrunken; er sei seinen Händen entschlüpft, auf den Boden gefallen und zerbrochen. Der Wärter ging brummend fort, um einen neuen zu holen, ohne daß er sich nur die Mühe gab, die Stücke des alten zusammenzulesen und mitzunehmen.
    Dantes hörte mit unsäglicher Freude das Klirren des Schlosses, dessen Zuschließen ihm früher das Herz zusammenschnürte. Er vernahm, wie die Schritte sich nach und nach entfernten. Sobald das Geräusch völlig erloschen war, sprang er nach seinem Lager, das er von seiner Stelle rückte, und beim Scheine des schwachen Tageslichts, das in seinen Kerker drang, konnte er sehen, welche nutzlose Arbeit er in der Nacht vorher getan hatte, er hatte nämlich den Stein selbstangegriffen statt den Kalk ringsum. Dieser Kalk war durch die Feuchtigkeit zerreibbar geworden. Dantes sah mit freudigem Herzklopfen, daß er sich in Bruchstücken ablöste, und nach Verlauf einer halben Stunde hatte er ungefähr eine Handvoll losgemacht. Ein Mathematiker hätte berechnen können, daß man mittels zweijähriger Arbeit, vorausgesetzt, man stieß auf keinen

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