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Der Graf von Monte Christo

Der Graf von Monte Christo

Titel: Der Graf von Monte Christo Kostenlos Bücher Online Lesen
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aus Haß, aus Habgier, aus Selbstsucht gehandelt, ich handelte aus Feigheit; sie wurden von Begierden getrieben, und mich trieb die Furcht. Nein, drücken Sie meine Hand nicht, Edmond. Sie sinnen auf ein liebevolles Wort, ich fühle dies; sagen Sie es nicht, behalten Sie es für eine andere, ich bin dessen nicht würdig. Sehen Sie ... das Unglück hat meine Haare grau gemacht; meine Augen haben so viele Tränen vergossen, daß sie von blauen Adern umzogen sind; meine Stirn runzelt sich. Sie, Edmond, sind im Gegenteil immer jung, immer schön, immer stolz. Das kommt davon her, daß Sie den Glauben, daß Sie die Kraft gehabt haben, daß Sie auf Gott bauten, daß Gott Sie unterstützte. Ich bin feig gewesen, ich habe Gott verleugnet, Gott hat mich verlassen, und so bin ich nur noch eine Ruine.
    Mercedes zerfloß in Tränen; das Herz der Frau brach unter dem gewaltigen Stoße der Erinnerungen.
    Monte Christo nahm ihre Hand und küßte sie ehrfurchtsvoll; aber sie fühlte selbst, daß dieser Kuß ohne Glut war, wie der, den der Graf auf die marmorne Hand der Bildsäule einer Heiligen gedrückt hätte.
    Es gibt von vornherein verdammte Wesen, fuhr sie fort, Wesen, deren ganze Zukunft ein erster Fehler zertrümmert. Ich hielt Sie für tot und hätte sterben sollen; denn wozu nutzte es, die Trauer um Sie ewig im Herzen zu tragen? Nur dazu, aus einer Frau von neununddreißig Jahren eine Frau von fünfzig zu machen. Wozu hat es genutzt, daß ich Sie allein unter allen erkannte und so meinen Sohn retten konnte? Mußte ich nicht den Mann, den ich als Gatten angenommen, so schuldig er auch war, ebenfalls retten? Doch ich ließ ihn sterben; mein Gott! Was sage ich, ich trug durch meine feige Unempfindlichkeit, durch meine Verachtung zu seinem Tode bei, indem ich mich nicht erinnerte, nicht erinnern wollte, daß er sich meinetwegen zum Verräter und Meineidigen gemacht hatte! Wozu nutzt es endlich, daß ich meinen Sohn bis hierher begleitet habe, da ich mich hier von ihm trenne, da ich ihn allein abreisen lasse, da ich ihn dem verzehrenden Boden Afrikas preisgebe! Oh! Ich bin feig gewesen, sage ich Ihnen, ich habe meine Liebe verleugnet und bringe allem, was mich umgibt, Unglück.
    Nein, Mercedes, sagte Monte Christo, nein! Fassen Sie eine bessere Meinung von sich selbst. Nein, Sie sind eine edle, fromme Frau und haben mich durch Ihren Schmerz entwaffnet; doch unsichtbar war hinter mir ein Gott, in dessen Auftrag ich handelte, und der den Blitz, den ich geschleudert hatte, nicht zurückhalten wollte. Oh! Ich beschwöre diesen Gott, zu dessen Füßen ich mich seit zehn Jahren jeden Tag niederwerfe, ich rufe diesen Gott zum Zeugen an, daß ich Ihnen dieses Leben und mit diesem Leben die Pläne, die damit verbunden waren, zum Opfer gebracht hatte. Doch ich sage es mit Stolz, Mercedes, Gott bedurfte meiner, und ich starb nicht. Prüfen Sie die Vergangenheit, prüfen Sie die Gegenwart, suchen Sie die Zukunft zu erraten, und sehen Sie, ob ich nicht das Werkzeug des Herrn bin. Das gräßlichste Unglück, die grausamsten Leiden, der Abfall aller derer, die mich liebten, die Verfolgung der Menschen, die mich nicht kannten, das war der Inhalt des ersten Abschnittes meines Lebens. Dann plötzlich, nach der Gefangenschaft, nach der Einsamkeit, nach dem Elend die Luft, die Freiheit, ein so glänzendes, so wunderbares, so maßloses Glück, daß ich, ohne blind zu sein, denken mußte, Gott habe es mir mit großen Absichten geschickt. Von da an erschien mir dieses Glück als ein Priestertum; von da an hatte kein Gedanke mehr für dieses Leben, dessen Süßigkeit Sie, arme Frau, zuweilen genossen haben, in mir Raum; keine Stunde der Ruhe, nicht eine einzige, gab es mehr für mich. Ich fühlte mich fortgetrieben, wie die feurige Wolke, die am Himmel hinzieht, um die verfluchten Städte in Asche zu legen. Früher gut, vertrauensvoll, nachsichtig, machte ich mich rachsüchtig, heuchlerisch, böse, oder vielmehr unempfindlich, wie das taube und blinde Verhängnis. Dann betrat und durchschritt ich den Pfad, der sich vor mir geöffnet hatte, ich berührte das Ziel; wehe denen, die ich auf meinem Wege traf!
    Genug! sagte Mercedes, genug, Edmond! Glauben Sie mir, daß die, welche Sie allein zu erkennen vermochte, auch allein Sie verstehen konnte. Edmond, hätten Sie die, welche Sie zu erkennen, zu begreifen vermochte, auf Ihrem Wege getroffen, und wie ein Glas zerbrochen, sie hätte Sie bewundern müssen, Edmond! Wie eine Kluft zwischen mir und der

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