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Das Licht in Buddhas Spiegel - Neal Carey 2

Das Licht in Buddhas Spiegel - Neal Carey 2

Titel: Das Licht in Buddhas Spiegel - Neal Carey 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
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Prolog
Dad klopft an
     
    Er hätte die Tür nicht aufmachen sollen.
    Neal Carey hätte es besser wissen müssen – man kann nie sicher sein, wer davorsteht, wenn man die Tür aufmacht.
    Aber er hatte Hardin erwartet, den alten Schafhirten, der jeden Nachmittag vorbeikam und zur Teezeit Whiskey mit ihm trank. Es regnete – regnete seit fünf Tagen –, und es wäre völlig normal gewesen, wenn Hardin »auf ein Schlückchen gegen die Nässe« vorbeigeschaut hätte.
    Neal zog seine Strickjacke fester zusammen, rückte seinen Stuhl ein wenig näher ans Feuer und beugte sich tiefer über sein Buch. Das Feuer kämpfte ebenso tapfer wie vergebens gegen die klamme Kälte, die selbst für einen März im Yorkshire-Moor reichlich unangenehm war. Neal nahm einen Schluck Kaffee und wandte sich wieder Tobias Smolletts Ferdinand Count Fathom zu. Er war allerdings nicht bei der Sache. Er las schon den ganzen Tag und sehnte sich nach einem kleinen Gespräch und einem Schluck Whiskey. Wo blieb Hardin bloß?
    Er starrte durch das kleine Fenster des Steinhauses hinaus, konnte aber nichts sehen außer Nebel und Regen, nicht mal den Weg, der sich vom Dorf heraufschlängelte. Es war das einzige Haus in dieser Ecke des Moors, und an diesem Nachmittag fühlte er sich einsamer als je zuvor. Normalerweise gefiel ihm das – er ließ sich nur alle drei oder vier Tage mit ins Dorf nehmen, um einzukaufen. Aber heute sehnte er sich nach Gesellschaft. Normalerweise war das Cottage eine Zuflucht, heute eine Einöde. Die einzige elektrische Lampe brachte nicht viel Helligkeit in Neals Tag. Er war seit sieben Monaten hier, allein bis auf Hardins Besuche, allein mit seinen Büchern.
    Also dachte er nicht weiter nach, als es klopfte. Er sah weder aus dem Fenster, noch zog er die Tür einen Spaltbreit auf oder fragte gar, wer da sei. Er stand einfach nur auf und ließ Hardin herein.
    Bloß war es nicht Hardin.
    »Mein Sohn!«
    »Hallo, Dad«, sagte Neal.
    Und dann machte Neal Carey den zweiten Fehler. Er stand einfach nur da. Er hätte die Tür zuschlagen, einen Stuhl davorstemmen, zur Hintertür hinaushetzen und nie mehr zurückschauen sollen.
    Wenn er das getan hätte, wäre er nicht nach China gefahren, und eine Frau namens Li wäre immer noch am Leben.

Teil l
Die China-Puppe
     
1
     
    Graham sah zugleich lächerlich und erbärmlich aus. Der Regen perlte von der Kapuze seines Regenmantels auf seine schlammbespritzten Schuhe herunter. Er stellte seinen kleinen Koffer in eine Pfütze, wischte sich mit seiner künstlichen rechten Hand Wassertropfen von der Nase und schaffte es dabei noch, Neal mit diesem typischen Joe-Graham-Grinsen anzusehen, das zu gleichen Teilen aus Gehässigkeit und Frohsinn bestand.
    »Freust du dich nicht, mich zu sehen?« fragte er.
    »Irrsinnig.«
    Neal hatte ihn seit August nicht gesehen, seit Graham ihm auf Bostons Logan-Airport ein Hinflug-Ticket gegeben hatte, dazu einen Scheck über zehntausend Pfund und den Befehl, unterzutauchen, weil eine Menge Leute in den Staaten ernstlich sauer auf ihn waren. Neal hatte nur die Hälfte des Geldes zurückgegeben, war nach London geflogen, hatte den Rest des Geldes auf die Bank gebracht und sich in das Häuschen im Moor verzogen.
    »Was ist?« fragte Graham. »Hast du Frauenbesuch, oder warum bittest du mich nicht rein?«
    »Komm rein.«
    Graham drängte sich hinter Neal in die Hütte. Joe Graham, einen Meter zweiundsechzig klatschnasse Fiesheit und Arglist, hatte Neal Carey großgezogen. Er entledigte sich seines Regenmantels und schüttelte ihn aus. Im Schrank schob er Neals Jacken beiseite und hängte den Mantel weg. Er trug einen leuchtend blauen Anzug mit einem grellorangefarbenen Hemd und burgunderrotem Schlips. Er zog ein Taschentuch aus der Jackettasche, wischte die Sitzfläche von Neals Stuhl sauber und setzte sich.
    »Danke für die vielen Briefe und Postkarten«, sagte er.
    »Du hast gesagt, ich soll untertauchen.«
    »Im übertragenen Sinne.«
    »Du wußtest, wo ich bin.«
    »Mein Sohn, wir wissen immer, wo du bist.«
    Wieder das Grinsen.
    Er hat sich in den sieben Monaten nicht sonderlich verändert, dachte Neal. Seine blauen Augen leuchteten immer noch, das sandfarbene Haar war vielleicht ein wenig schütterer geworden. Sein Zwergengesicht sah immer noch so aus, als würde es unter einem Fliegenpilz hervorblinzeln. Er konnte einen immer noch zu dem Nachttopf am Ende des Regenbogens führen.
    »Wie komme ich zu dem Vergnügen, Graham?« fragte Neal.
    »Ich weiß nicht.

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