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Der Graf von Monte Christo

Der Graf von Monte Christo

Titel: Der Graf von Monte Christo Kostenlos Bücher Online Lesen
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Seite?Diese Seite war die, wo man das Luftloch angebracht hatte, durch welches das Tageslicht eindrang. Dieses Luftloch, das sich immer mehr verengte, bis zu der Stelle, wo es dem Tageslichte Eingang gewährte, und wo ein Kind sich nicht hätte durchzwängen können, war überdies mit drei Reihen eiserner Stangen verwahrt, die auch den argwöhnischsten Kerkermeister keine Entweichung befürchten ließen.
    Der Unbekannte aber zog, während er seine Frage stellte, den Tisch unter das Fenster und sagte zu Dantes: Steigen Sie auf diesen Tisch!
    Dantes gehorchte, stieg auf den Tisch, lehnte, die Absicht seines Gefährten erratend, seinen Rücken an die Mauer und hielt ihm seine Hände hin. Der andere stieg nun behender, als sein Alter annehmen ließ, zuerst auf den Tisch, dann auf Dantes' Hände und von da auf seine Schultern. Halb gebückt, denn das Gewölbe des Kerkers hinderte ihn, sich auszurichten, streckte er den Kopf zwischen die erste Reihe der Stangen und war nun im stande, hinabzuschauen. – Einen Augenblick nachher zog er rasch den Kopf zurück und sprang auf die Erde.
    Oh! oh! sagte er, ich hatte es vermutet.
    Was hatten Sie vermutet? fragte der junge Mann ängstlich und sprang ebenfalls herab. Der alte Gefangene überlegte, dann sagte er: Diese Seite Ihres Kerkers geht auf die äußere Galerie, auf eine Art Rundgang, über den die Patrouillen kommen und wo Schildwachen stehen. Ich habe den Tschako eines Soldaten gesehen und zog mich nur aus Furcht, er könnte mich wahrnehmen, so schnell zurück; es ist also unmöglich, durch Ihren Kerker zu entfliehen.
    Also? frug der junge Mann.
    Also geschehe der Wille Gottes!
    Und ein Ausdruck tiefer Resignation verbreitete sich über die Gesichtszüge des Greises. Dantes schaute den Mann, der mit so viel Philosophie auf eine seit langer Zeit genährteHoffnung Verzicht leistete, mit einem mit Bewunderung gemischten Erstaunen an.
    Wollen Sie mir nun sagen, wer Sie sind? fragte Dantes.
    Oh! mein Gott, ja, wenn es Sie noch interessieren kann, jetzt, da ich für Sie zu nichts mehr gut bin.
    Sie können mir dazu gut sein, daß Sie mich trösten und aufrecht erhalten, denn Sie scheinen mir ein Starker unter den Starken zu sein.
    Der Alte lächelte traurig und sagte: Ich bin der Abbé Faria, seit 1811 Gefangener im Kastell If, war jedoch vorher drei Jahre lang in der Festung Fenestrelle eingesperrt. Im Jahre 1808 brachte man mich von Piemont nach Frankreich. Damals erfuhr ich, daß das Schicksal, das ihm zu jener Zeit untertan zu sein schien, Napoleon einen Sohn gegeben hatte, und daß dieser Sohn in der Wiege zum König von Rom ernannt worden sei. Ich war weit entfernt, zu ahnen, was Sie mir vorhin sagten, daß nämlich vier Jahre später der Koloß eingestürzt ist. Wer regiert denn jetzt in Frankreich? Napoleon II.?
    Nein, Ludwig XVIII.
    Ludwig XVIII., der Bruder Ludwigs XVI.! Die Wege des Himmels sind seltsam und geheimnisvoll. Was war die Absicht der Vorsehung, als sie den Mann erniedrigte, den sie erhoben hatte, und den erhob, den sie erniedrigt hatte?
    Dantes sah überrascht den Mann an, der sein eigenes Schicksal ganz zu vergessen schien, um sich mit dem Geschicke der Welt zu beschäftigen.
    Ja, fuhr er fort, es ist wie in England; nach Karl I. Cromwell, nach Cromwell Karl II. und vielleicht nach Jakob II. irgend ein Schwiegersohn, ein Verwandter, ein Prinz von Oranien, ein Staathouder, der sich zum König machen wird, und dann neue Zugeständnisse an das Volk, dann eine Verfassung, dann die Freiheit! Sie werden das erleben, junger Mann, sagte er, zu Dantes gewandt, und schaute ihn mit den glänzenden, tiefen Augen eines Propheten an. Siesind noch in einem Alter, um es zu erleben, und werden es erleben.
    Ja, wenn ich von hier wegkomme.
    Ah! das ist richtig, sagte der Abbé Faria, wir sind Gefangene; es gibt Momente, wo ich es vergesse und mich in Freiheit glaube, weil meine Augen die Wände durchdringen, die mich umschließen.
    Aber warum sind Sie eingesperrt?
    Ich? Weil ich im Jahre 1807 von dem Plane träumte, den Napoleon im Jahre 1811 verwirklichen wollte, weil ich wie Macchiavell mitten unter diesen Fürstlein, die aus Italien ein Satirspiel tyrannischer, schwacher Königreiche machten, ein einziges und großes, fest gefügtes Reich gründen wollte, weil ich meinen Cesare Borgia in einem einfältigen, gekrönten Haupte zu finden glaubte, das sich den Anschein gab, als verstünde es mich, um mich besser verraten zu können. Es war der Plan Alexanders VI. und Clemens'

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