DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde
sie Tan eingeholt, ehe der Linulariner Spionagemeister ihn über die Brücke brachte. Sie hätten dann nicht losstürmen müssen, um durch das Sumpfgebiet und über den Fluss hinweg ihrerseits einen wilden und völlig illegalen Überfall auszuführen. Bertaud reagierte darauf womöglich richtig wütend, besonders was Geroen anging, dennder Hauptmann hatte Maianthe gestattet, die Männer auf diesem Einsatz zu begleiten.
Maianthe erklärte dickköpfig: »Linularinum hat es selbst verschuldet. Und ich musste Euch begleiten, oder wir hätten es nie geschafft. Außerdem wird es zu dem Zeitpunkt, wenn er davon erfährt, vielleicht so lange zurückliegen … Jedenfalls ist es uns gelungen, Tan zurückzuholen. Und wir wurden nicht erwischt.«
»Beides Aspekte von größter Bedeutung«, warf Tan vom Boden des Karrens aus ein, ohne dabei die Augen zu öffnen. Seine Stimme war kaum zu hören, aber sie drückte inzwischen wieder eine Spur spöttischen Humors aus. »Wäre richtig schade, hier anzuhalten und all diese Mühen zunichte werden zu lassen.«
Geroen lachte knurrend und gab dem Fahrer mit einem Wink zu verstehen, er möge halten. Der Hauptmann schwang sich vom Pferd und reichte Maianthe die Hand, um ihr vom Wagen zu helfen.
Die Königin, gefolgt von einigen Beratern und Dienstboten, trat in diesem Augenblick aus dem offenen Haupttor. Einen Augenblick lang blieb sie stehen und starrte auf die Neuankömmlinge. Dann kam sie die Treppe herab, trat an den Wagen heran und ergriff Maianthes Hand. Sie wirkte zu Maianthes ungeheurer Erleichterung doch nicht ganz so wütend. Naithe presste die hübschen Lippen zusammen, während sie Tans bleiches, schmerzverzerrtes Gesicht musterte.
»Ein zertrümmertes Knie«, erklärte Geroen kurz, ohne dabei den Blick der Königin direkt zu erwidern.
»Ich hätte die Nacht nie überlebt, wäre ich nicht gerettet worden«, brachte Tan mit dünner Stimme hervor. Maianthe hoffte, dass die Königin auch das ihrem Gemahl berichtete – ebenso wie die übrigen Dinge.
»Ich habe, sobald ich wusste, wohin Ihr gegangen wart, Euer Personal gebeten, nach einem in der Heilung befähigten Magier zu schicken«, sagte Königin Naithe zu Maianthe. Sie fasste Tan an den Hals, dann an die Stirn. Mit finsterem Blick sah sie zu ihm hinab. »Schon fiebrig – nun, die Magierin wird Euch in Ordnung bringen, und dafür bin ich wirklich dankbar.« Sie drehte sich um und gab den wartenden Dienstboten einen Wink.
Iriene war die einzige in der Heilung befähigte Magierin von Tiefenau. Sie war zwar in keiner anderen Form der Zauberkunst wirklich begabt, aber nichtsdestotrotz eine sehr fähige Heilerin. Menschen aus dem ganzen Delta suchten sie auf. Maianthe hatte schon erlebt, wie sie einen fürchterlich gebrochenen Ellbogen heilte, als das Kind einer Magd im oberen Haus aus dem Fenster gestürzt war; sicherlich wurde Iriene auch mit Tans Knie fertig. Und die Königin hatte schon nach ihr geschickt. Eine Anspannung, die Maianthe bislang gar nicht richtig bemerkt hatte, löste sich in ihr.
Tan schloss wieder die Augen und wisperte: »Ein Magier ist besser als ein Geizkragen, wenn Gesundheit mehr gilt als Gold.« Das hörte sich nach einem Zitat an, doch Maianthe wusste nicht, aus welchem Werk.
»Ist das die einzige Verletzung?«, wollte Naithe wissen und warf Maianthe einen fragenden Blick zu. »Alles in Ordnung mit Euch?«
»Ja …«
»Gut! Das ist jedoch nicht Eurem Wachhauptmann zu verdanken«, erklärte die Königin und starrte Geroen an, der wortlos den Blick senkte. Die nicht im Mindesten besänftigte Königin fuhr mit unerbittlichem Ton fort: »Ihr habt Bertauds kleine Cousine über den Fluss nach Linularinum mitgenommen und dabei wer weiß wie viel Chaos und zudem einen Grenzzwischenfall riskiert? Ich kann mir gar nicht vorstellen, was Iaor dazu sagen wird! Und Ihr, Maianthe! Was habt Ihr Euch nur dabeigedacht? Ich würde es ja kaum glauben, stündet Ihr nicht hier, von Sumpfschlamm bedeckt!«
Geroen konnte darauf kaum eine Erwiderung geben, und so sprach Maianthe, um sie beide zu verteidigen. »Eure Majestät, Hauptmann Geroen hat mich nicht über den Fluss mitgenommen«, hob sie hervor und bemühte sich dabei, nicht mit zitternder Stimme zu reden. Sie überwand sich dazu, der Königin in die Augen zu blicken. »In Wirklichkeit habe ich ihn mitgenommen. Und es tut mir leid, wenn Seine Majestät zornig sein wird, aber ich bin in Abwesenheit meines Vetters die Herrin des Deltas – und wie hätte
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