Der Grenzgänger
dauerte es mir, bis sie mir erlaubten, die Wohnung zu betreten. „Wenn Sie glauben, mehr zu finden, als wir erkennen können, dann versuchen Sie Ihr Glück“, forderte mich ein Kripomann auf.
Bislang war ich der Auffassung gewesen, in der Wohnung Renates hätte das Chaos geherrscht. Aber nunmehr erwies sich der vorherige Zustand noch als wohlgeordnetes Durcheinander.
Jetzt konnte ich in der Tat von einem Chaos reden. Darin nach Spuren zu suchen, schien mir ebenso müßig wie die Suche nach dem Ende des Regenbogens hinten am Horizont.
Selbst im Schlafzimmer hatte der Einbrecher respektlos gewütet. Renates Bett und der Kleiderschrank waren demoliert, die Wäsche lag verstreut umher. Im Wohnzimmer hatte der Unbekannte alle Papiere, Bücher und Ordnern aus den Regalen gerissen und auf den Boden geworfen. Alle umgekippten Schränke und die ausgeschütteten Schubladen lagen leer dazwischen. „Hier hat jemand etwas gesucht“, stellte ich mehr für mich fest als für den Polizisten, der neben mir stand. „Aber was?“
„Gute Frage.“ Mein Begleiter verzog gequält den Mund. „Wenn wir das wüssten, würden wir auch wissen, ob er es gefunden hat oder nicht. Eines ist allerdings sicher, auf Geld hat es unser Gauner nicht abgesehen.“ Er zeigte mir einen geöffneten Briefumschlag, in dem ich einige Geldscheine erkennen konnte. „Das sind fast tausend Mark, die der Einbrecher nicht mitgenommen hat. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass er diesen Umschlag übersehen hat.“
Ohne allzu große Erwartungen setzte ich mich auf den Schreibtischstuhl und stöberte in den herumliegenden Blättern. Endlich wusste ich, wonach ich suchen musste und wirbelte zur Verblüffung meines Schupos kniend durch die ungeordnete Papierflut. Doch ich fand nicht, was ich haben wollte, was für mich zwei Möglichkeiten zuließ: Entweder hatte ich Renates erstes, durchgestrichenes Soziogramm übersehen oder der Einbrecher hatte es mitgenommen.
Ich hatte keine Lust mehr, mich durch dieses Durcheinander zu wühlen und verabschiedete mich eilig. Schnurstracks machte ich mich auf den Weg zur Kanzlei. Es war vielleicht nicht das Schlechteste, mich dort einmal wieder blicken zu lassen. Aber ich fand niemandem, dem ich mit meinem Arbeitseifer hätte imponieren können. Die Räume waren leer, unsere Mitarbeiter und unser Brötchengeber hatten schon den Feierabend angetreten.
Müde ließ ich mich an meinem Schreibtisch nieder, blätterte wenig konzentriert durch die Post und rief Dieter an. Ob er mit mir den Abend verbringen wollte, fragte ich ihn.
Aber ihm war nicht nach meiner Gegenwart. „Ich muss den Haushalt machen und die Wohnung auf Vordermann bringen“, stöhnte er. „Morgen kommen unsere Frauen zurück, dann muss alles blinken, das Geschirr gespült und die Wäsche gewaschen sein. Weißt du, wie die Waschmaschine funktioniert?“
Ich musste passen. Mit derart komplizierten technischen Dingen hatte ich mich noch nicht befasst, sie überließ ich gerne anderen. Unwillkürlich musste ich an Sabine denken. Schnell wählte ich die Rufnummer ihres Hotelzimmers und freute mich, als sie abhob.
„Du hast Glück, wir wollten gerade los“, sagte sie drängend statt einer Begrüßung. „Was gibt’s?“
„Nichts Besonderes“, antwortete ich enttäuscht, und berichtete von meinem nicht gerade erfolgreichen Arbeitstag. „Morgen wird alles besser“, tröstete mich meine Liebste, „morgen bin ich wieder bei dir.“
Diese Aussicht machte mich etwas munterer. Schnell ging ich quer durch die Stadt zu meiner Wohnung.
Mit Renates Zeichnung in der Hand lümmelte ich mich in einen Sessel. Wenn „D“ und „S“ für van Dyke und Schmitz standen, dann,… Ich schlängelte mich durch das Labyrinth der Buchstaben und Striche und kam mehr und mehr zu der Erkenntnis, dass viele Verbindungen passten. Von Schmitz zu Langerbeins war es nicht weit, ebenso wenig von Langerbeins zu van Dyke. Vieles wurde mir klar, nur das Wichtigste nicht: Welche Rolle spielte Renate, die das verwirrende Spiel offenbar durchschaut hatte, und wer war der große Unbekannte, der alle Fäden in der Hand und uns in Atem hielt? Gähnend streckte ich mich und dachte an Sabine. Zufrieden kroch ich ins Bett und bemühte mich um meine Nachtruhe. Bekanntlich vergeht die Zeit niemals schneller als im Schlaf.
Doch ich kam nicht zum Schlafen, das unerbittliche Telefon hinderte mich daran. Fluchend stand ich wieder auf. „Dieser Anschluss ist zur Zeit nicht
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