Der Gringo Trail: Ein absurd komischer Road-Trip durch Südamerika (German Edition)
dass Matthew Parris ihn zum Titel eines unterhaltsamen Buches über Peru gemacht hat.
Das andere ist eine Orangenlimonade, die „Bimbo“ heißt. Wir fanden das besonders witzig, weil es auf Englisch „Flittchen“ heißt. Ich bedrängte Melissa, bis ich ein Bild von ihr mit einer Bimbo in der Hand machen durfte. „Was willst du damit andeuten?“, schnaubte sie. Wir nahmen den nächstmöglichen Bus und fuhren 20 Stunden südlich nach Arequipa. Die Reise war ein gewaltiger Umweg: Die kürzere Hochland-Route nach Cuzco verlief durch die Festung des Sendero Luminoso – des Leuchtenden Pfads. Das ist eine ma oistische Bewegung; ihre Strategie war ursprünglich gewesen, eine Machtbasis unter den ländlichen Bauern aufzubauen, um schließlich die Städte zu umzingeln und zu strangulieren. Durch eine Mischung aus echter Unterstützung und Einschüchterung kontrollierten sie das zentrale Hochland unmittelbar landeinwärts von Lima. Ein paar Monate zuvor hatte die Regierung endlich Abimael Guzman, den Anführer des Sendero, gefangen genommen. Als ehemaliger Professor für Kantische Philosophie war Guzman die Inspiration hinter diesem Mix aus Terror, maoistischem Dogma und Inka-Herrschaft.
Niemand wusste, ob die Guerillas sich demnächst allmählich auflösen oder ihre Macht demonstrieren würden, um zu bewei sen, dass sie nicht am Ende waren. Wir wollten nicht in der Nähe sein, wenn sie das taten. Deshalb mussten wir entweder Busse über Arequipa nach Cuz co nehmen – eine Gesamtstrecke von ca. 50 Stunden – oder flie gen. Der Flug dauerte eine Stunde und kostete 60 Dollar. Der Bus kostete 25 Dollar. „60 Dollar?“, sagte Mark. „Ich zahle ganz sicher keine 60 Dollar.“ Dann also 50 Stunden im Bus.
Die südliche Küste war ziemlich genau wie die nördliche: Trüb, be wölkt und monoton. Wir dösten ein, wachten auf und dösten wieder ein, während unablässig Criollo Pop dudelte, der wie schlechte Sal sa-Musik bei erhöhter Geschwindigkeit klingt. Mitten in der Nacht öffnete ich meine Augen, um festzustellen, dass wir direkt auf dem Strand fuhren, ohne das geringste Anzeichen einer Straße. Das war der Pan-American Highway. Auf der Landkarte ist das die größte Straße in Nord- und Südamerika. Sie verläuft von Alaska nach Para guay und wird nur durch die Sümpfe der Darién Gap unterbrochen. Hier bestand sie lediglich aus zwei Reifenspuren am Strand. Wir fuhren über die Nazca Linien. Diese gewaltigen, sehr geheim nisvollen Zeichnungen sind bis zu 200 Meter lang und erstrecken sich über 500 Quadratkilometer Wüste. Sie stellen Affen, Vögel, Spin nen und andere Tiere dar. Da sie nur aus der Luft vollständig sichtbar sind, spekuliert man darüber, wie und weshalb sie gezeichnet wur den. Ob sie gewaltige Landkarten waren? Astrologische Kalender? Laufbahnen für rituelle Rennen? Religiöse Darstellungen, die die Götter sehen sollten? Von Besuchern aus dem Weltallgeschaffen? Flogen die Nazca-Menschen in Heißluftballons? (Manche Darstel lungen auf Nazca-Keramik scheinen Heißluftballons darzustellen.) Es kostete 50 Dollar, um in einem kleinen Flugzeug über die Linien zu fliegen. „50 Dollar?“, sagte Mark. „Ich zahle ganz sicher keine 50 Dollar.“ Wir fuhren im Bus über die Linien. Vom Bus aus konnte man gar nichts sehen.
✷ ✷ ✷
Der fette Magier
Die Langeweile auf der Reise wurde von einem ständigen Strom von Händlern unterbrochen, die Essen anboten. Bei jedem Halt stürmten ein Dutzend Frauen den Bus. Um ihren Rivalinnen zuvorzukommen, kletterten sie manchmal durch ein Fenster hi nein und landeten auf einem arglosen Passagier. An jeder Halte stelle verkauften die Frauen etwas anderes: Orangen, Huhn mit Reis (in Bananenblättern gedünstet), Empanadas oder Maisku chen (Tamales). Aber an jeder Haltestelle verkauften alle dasselbe Produkt. Daher die Eile, an die Passagiere heranzukommen.
Die Busse in Peru waren kleine Theater – oder zumindest klei ne Rednerpulte. Unablässig stand ein Händler nach dem ande ren vorne und verkaufte Horoskope oder Pamphlete, die das Ge heimnis guter Gesundheit erklärten, oder Elixiere in Flaschen, deren Konsum eine solche garantierte. Solche Verkaufsaktionen wurden mittels langer Reden durchgeführt, die die Vorteile des Produktes besangen, und waren überraschend erfolgreich. Die Verkäufer fuhren 20 Minuten lang im Bus mit und fesselten die Zuhörer mit
Weitere Kostenlose Bücher