Der Gringo Trail: Ein absurd komischer Road-Trip durch Südamerika (German Edition)
noch wirksamer. 8
--- 8 Feuerwaffen wurden erst viel später mit der Einführung des Repetiergewehrs entscheidend. Im Hinblick auf Hunde hatten die Indianer nur kleine, fügsame Rassen, die sie hauptsächlich als Nahrung hielten. Bartolomé de las Casas berichtet, die Spanier hätten „eine Anzahl wilder und bösartiger Hunde, die sie speziell dazu abgerichtet haben, Menschen zu töten und in Stücke zu reißen. … Um diese Hunde zu füttern, sorgen sie dafür, dass sie immer und überall einen Vorrat an Ureinwohnern griffbereit haben, die sie wie eine Herde Kälber in Ketten mit-führen. Diese schlachten und zerlegen sie nach Bedarf.“
Aber das Pferd („der Panzer der Eroberung“) war eigentlich entscheidend – was es auch bei früheren Invasionen Europas aus den asiatischen Steppen gewesen war. Während sich die Zivili sation der Anden mehr oder weniger isoliert entwickelt hatte, brachten die Spanier die technologischen Früchte der gesamten Alten Welt. Schießpulver, Hunde, Pferde und Kavallerie-Taktiken stammten alle aus Asien.
Es waren allerdings die Krankheiten, die schließlich den Wi derstand gegen die Spanier brachen. Kein größerer indianischer Staat wurde erobert, bevor seine Führungselite durch Krankheiten ausradiert worden war. Die Europäer brachten Krankheiten, die bis dahin in Nord- und Südamerika unbekannt gewesen waren: Krankheiten, die von Haustieren übertragen worden und dann mutiert waren oder sich durch mangelnde Hygiene oder Handels beziehungen mit Afrika und Asien verbreitet hatten. Die Indianer hatten keinerlei Abwehrkräfte gegen Krankheiten wie Pocken, Beulenpest, Masern, Keuchhusten, Grippe, Gelbfie ber oder auch nur die gewöhnliche Erkältung. Diese Krankheiten fegten über die amerikanischen Kontinente hinweg, selbst in Ge genden, in die die Europäer noch gar nicht vorgedrungen waren.
Man stelle sich den Schrecken einer solchen Zeit vor. Innerhalb eines Lebensalters starben vielleicht neun von zehn Menschen in der gesamten Neuen Welt. Manche Historiker schätzen, dass die Einwohnerzahl des Inkareiches in nur 28 Jahren von 32 Millio nen im Jahre 1520 auf 5 Millionen im Jahre 1548 fiel – in lediglich 28 Jahren – und auf nur zwei Millionen im Jahre 1600. Die Todesrate übertraf sogar den Schwarzen Tod oder die To deslager der Nazis. Es war der größte Völkermord der Geschichte. 9
--- 9 Das Verhältnis stellt sich folgendermaßen dar: 1992 betrug die Einwohnerzahl von Peru, Bolivien und Ecuador zusammen 41,1 Millionen. Zwischen 1542 und 1570 fiel die Einwohnerzahl der amerikanischen Kontinente insgesamt von vielleicht 100 Millionen auf 10 Millionen: Die 90 Millionen Toten entsprachen rund einem Fünftel der gesamten Menschheit. Da es keine genauen Zahlen gibt, handelt es sich hierbei nur um eine Schätzung. Manche Historiker glauben, dass die Bevöl-kerungszahl vor dem Kontakt viel geringer gewesen war – aber das ändert nichts an der entschei-denden Tatsache, dass es sich hier um einen kaum jemals überbotenen humanitären Albtraum handelt. (Dieselben Vorbehalte gelten für die Zahlen über die Potosí-Minen im nächsten Kapitel.)
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Entlang der Küste
Von Tumbes nahmen wir einen Bus nach Lima, das 20 Stunden weiter südlich liegt. Es war wieder einmal eine Schrottkiste oh ne Klimaanlage und mit Fenstern, die sich entweder nicht öffnen oder nicht schließen ließen. Die Sitze waren abgeschraubt und näher aneinander gerückt worden, um mehr Passagiere hinein packen zu können. Zwei Jungen spielten die Beifahrer, hängten sich aus der Tür und warben an jeder Haltestelle um Passagiere.
Frauen trugen Babies, die an einem oder beiden Nippeln hin gen. Verzweifelte Hühner steckten ihre Köpfe aus Löchern in Pappkartons. Ein Ferkel lag zusammengerollt in einem Korb un ter einem Sitz. Das Dach, der Gang, die Lücken unter den Sit zen, die Gepäcknetze und jeder andere verfügbare Raum waren mit Taschen, Kisten, farbigen Bündeln und Lebensmitteln vollge stopft. Kinder heulten, und eine Criollo -Popkassette plärrte aus den Lautsprechern. Das Rückfenster war von einer grellen abgemalten Darstellung der Jungfrau Maria in Lebensgröße bedeckt. Auf einem glitzernden Silberstreifen auf der Windschutzschei be über dem Fahrer stand: „Gott ist mein Copilot.“ „Also ist das Gott“, sagte ich und deutete auf die zusammenge sackte Gestalt des fetten Beifahrers, der im vorderen Passagiersitz laut
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