Der Gringo Trail: Ein absurd komischer Road-Trip durch Südamerika (German Edition)
schnarchte.
„Irgendwie hatte ich mir eine etwas eindrucksvollere Persön lichkeit vorgestellt.“ „Vielleicht wäre es sicherer, wenn der Erhabene selbst fahren würde“, sinnierte Mark. Gott stöhnte und furzte in seinem Sitz. Der Fahrer bekreuzigte sich und murmelte ein Gebet. Der Anlas ser kreischte ein paarmal schmerzhaft wie ein Stück Kreide auf einer Tafel, bis der Motor stotternd ansprang. Hinter uns brei teten sich Schwaden von Dieselrauch aus. Los ging’s. Die Bananenplantagen der ecuadorianischen Küste waren der Wüste gewichen, die die peruanische Küste säumt. Ausgedörrte graue Erde reichte unmittelbar bis ans graue Meer, während ei ne Decke aus niedrigen grauen Wolken permanent über unseren Köpfen hing. An der peruanischen Küste regnet es selten, aber es scheint auch selten die Sonne. Es ist einfach nur grau. Weit ent fernt auf unserer linken Seite konnten wir die braunen Hügel am Fuß der Anden erkennen.
Alle paar Stunden wurde die Wüste von bewässerten Korridoren grüner Felder unterbrochen, wo ein Fluss von den Bergen herabfloss. An ihren Mündungen befanden sich Städte: Einige, z.B. Trujillo, glänzten in elegantem Kolonialstil, andere hingegen waren schmut zig und industrialisiert und stanken nach getrocknetem Fisch.
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Antike Erektionen
Wenn wir umsteigen mussten, machten wir ein paar flüchtige Unterbrechungen. Die erste war in Chiclayo, wo wir das beein druckende Bruning-Museum besuchten. Es war voll neckischer, überschwänglicher Moche-Töpferei aus nahegelegenen Fundor ten wie Sipán und Túcume; die Töpfe waren als Tiermotive und fröhliche, alltägliche Menschengestalten lebendig geformt. Bau ern, Soldaten, Priester, Krüppel und Musiker lachten uns durch die Jahrhunderte an. Manche Töpfe waren als Paare in erotischer Umarmung gestaltet oder als grinsende Männer mit Erektionen, die über ihre Köpfe reichten.
Kein Wunder, dass sie lächelten. Nur zögernd ließ sich Melissa von der Betrachtung ihrer überdimensionalen Erektionen weg zerren.
In Trujillo schleppte ich einen unwilligen Mark und eine un willige Melissa durch die riesige Ruinenstadt Chan Chan. Der Wind pfiff über die Wüste durch eine Einöde bröckeliger grauer Lehmhügel. Nur ein rekonstruierter Abschnitt ließ etwas von der vergangenen Größe ahnen. „Chan Chan“, erklärte der Reiseführer, „wurde von den Moche gegründet, Zeitgenossen der Römer und Angelsachsen, und dann von den Chimu erweitert. Als die Chimu in den 1470ern von den Inkas unterworfen wurden, wurden ihre besten Goldschmiede, Künstler, Ärzte und Lehrer nach Cuzco geschickt, damit die Inka von ihnen lernen konnten.“ Perus Geschichte, die keineswegs erst mit den Inkas beginnt, reicht 4000 Jahre in die Vergangenheit zu rück – wodurch es weltweit zu einem der sechs großen Zentren der frühen Zivilisationen wird. 10
--- 10 Neben China, Indien, dem Mittleren Osten, Ägypten und Mexiko.
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Die Nazca - Linien
Wir fuhren die Küste entlang weiter, vorbei am größten Links händer der Welt (kein gigantischer Homosexueller, sondern ir gendwas mit Surfen) und einer staubigen Stadt mit einer Straße namens Cabo Blanco. Mein Reiseführer erläuterte, dass im Jahre 1953 hier der größte Fisch an Land gezogen wurde, den man je mit einer Leine gefangen hatte, ein 710 Kilo schwerer Blauer Marlin. Ein uralter amerikanischer Seemann mit einem verfilzten weißen Bart und einer wirren Masse langen weißen Haars legte gerade ab. Mit der Harpune in der Hand sah er aus wie Neptun persönlich. Gebräunte Surfer saßen in heruntergekommenen Bars.
Wir verbrachten zwei Stunden in Lima, ehemals eine der reichs ten Städte der Welt. Die Leichenblässe, die über der Stadt hing, schien sich auch über ihre Einwohner zu legen. Der Verkehr ver stopfte die Straßen. Verblichene Fassaden versteckten sich hinter Lagen von Schmutz und Vernachlässigung. Illegale Siedlungen er klommen die kahlen braunen Berge hinter der Stadt. Zwei Stunden genügten für Lima.
Zwei Stunden genügten auch für ein Essen und eine Limo. In Peru gibt es zwei Sorten, die im Land selbst hergestellt werden. Die eine heißt „Inca Kola“ und schmeckt wie flüssiger Kaugum mi; der Name beschreibt das ganze Land in zwei Wörtern – seine reiche Geschichte und die heutige wirtschaftliche Dominanz der USA. 11
--- 11 Der Name Inca Kola trifft so sehr ins Schwarze,
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