Der Gringo Trail: Ein absurd komischer Road-Trip durch Südamerika (German Edition)
und ein Nonnenkloster zu besuchen. Perus zweite Großstadt war eine angenehme Überraschung, voll attraktiver Kirchen und weißer Häuser, die aus dem hier vorkommenden Vulkangestein gebaut worden waren. Arequipas Juwel ist aber das wunderbar erhaltene Santa-Catalina-Frauenkloster – es ist vielleicht das ein drucksvollste katholische Monument des Kontinents. „Wir besuchen ein … Frauenkloster ?!“ Mark sah mich ungläu big an. „So ein Blödsinn!“
Melissa gab ihm Recht. Sie verbrachten den Nachmittag schla fend in einer Pension. Ich ging trotzdem hin. Der Bus nach Cuzco brauchte weitere 20 Stunden; er kletterte landeinwärts die Anden hinauf. Als wir die Küste hinter uns lie ßen, fiel die Temperatur deutlich ab. Andere Passagiere zauberten Decken aus dem Nichts hervor. Wir zogen erst unsere Pullis an, dann unsere Ersatzpullis, bis wir all unsere Kleider anhatten. Dann packten wir uns in unsere Schlafsäcke, aber wir froren immer noch. Nach dem ohrenbetäubenden Gelächter zu urteilen, das aus den Lautsprechern plärrte, ließ der Fahrer eine Comedy-Kassette lau fen. Niemand im Bus lachte, aber es war die einzige Kassette, die er hatte, also ließ er sie eben laufen. An Schlaf war nicht zu denken. Kurz vor Mitternacht hielten wir an einem Straßenrestaurant. Straßenrestaurants in Peru funktionieren alle nach demselben Prinzip. Aus dem Bus ergießen sich die Fahrgäste in einen bis dahin leeren Raum; alles staut sich verzweifelt am Tresen. Man bezahlt und bekommt einen Fetzen Papier mit einer Nummer. Dann sitzt man da und wartet darauf, dass die Kellnerin mit dem Essen kommt.
Wenn man seine Bestellung nicht bald bekommt, sitzt man da und macht sich Sorgen, dass das Essen nicht rechtzeitig kommen könnte, bevor der Fahrer beschließt, abzufahren. (Der Fahrer wird natürlich sofort bedient.) Wenn der Fahrer fertig ist, schlendert er einfach zum Bus zurück und startet den Motor – normalerweise geschah das immer dann, wenn mein Essen gerade aus der Küche kam, sodass ich es in zwei verzweifelten Happen herunterwürgen musste.
Diesmal sprang ich schon aus dem Bus, bevor er anhielt, und stürzte mich an die Spitze der Warteschlange. Inzwischen hatten wir wahrscheinlich mehr Langstreckenbusse genommen als die meisten Peruaner in ihrem ganzen Leben. In den Bussen herrsch te immer eine Atmosphäre unterdrückter Aufregung, Verwirrung und Erwartung. Ich bin sicher, es war die größte Reise, die viele unserer Mitreisenden jemals gemacht hatten: Familien hatten ihre gesamten Besitztümer in Kisten und Säcke gepackt; vielleicht zo gen sie um, um Arbeit zu finden.
Mein Riesenteller Brathähnchen war lecker. Ich hatte sogar Zeit, nach dem Essen ein wenig draußen herumzulaufen. Im Mondlicht sah ich Felsblöcke und die gezackten Umrisse von Bergen. Männer pissten gegen den Bus, während Frauen im Graben auf der anderen Straßenseite, diskret versteckt unter ihren weiten Röcken, in der Hocke ihr Geschäft verrichten.
Nach einer weiteren Stunde Fahrt war die Straße durch Stein schlag blockiert. In einer Welle der Verwirrung gab man uns die Anweisung, die Busse mit den Fahrgästen zu tauschen, deren Bus gerade von den Bergen heruntergekommen war. Die Bus-Crews begannen, das Gepäck vom Dach zu laden und es zum anderen Bus hinüber zu schleppen. Kurz vor Sonnenaufgang fiel die Temperatur noch stärker ab und zerstörte noch die letzten Hoffnungen auf Schlaf. Wir hatten einen Pass erreicht; der Bus hörte auf zu steigen und fuhr wieder bergab. Das grelle Morgenlicht brannte durch die dünne Luft. Vor uns endeten die Berge in einer weiten, baumlosen Ebene. Das war der Altiplano – eine der höchstgelegensten und raues ten bewohnten Regionen der Erde.
Rotbraune Lehmhäuser mit strohgedeckten Dächern spren kelten die flache braune Ebene. Menschen, vor allem Frauen, waren schon auf den Beinen und bestellten Flecken dünner Er de von Hand mit Grabwerkzeugen oder trieben etwas Vieh die Straße entlang. Wieder einmal trugen sie die Campesina -Tracht des Hochlands: Schwere Röcke, mehrere Unterröcke, Wollpullo ver, Schals und Hüte. Nur die Hüte unterschieden sich von denen in Ecuador. Hier trugen die Frauen Zylinderhüte, wie aus einem Rembrandt-Gemälde, anstelle der pastetenförmigen ecuadoria nischen Filzhüte. Manche trugen sogar zwei Hüte, indem sie ei nen auf dem anderen balancierten. Die Frauen waren
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