Der Gringo Trail: Ein absurd komischer Road-Trip durch Südamerika (German Edition)
einluden, uns zu ihnen zu setzen. Sie wollten sich unbedingt mit uns unterhalten und bestanden darauf, uns zu weiteren Bieren einzuladen. Wir waren aber schon so betrunken, dass wir nichts davon verstehen konnten, was sie sagten. Einer leierte ständig auf Englisch „I am sorry, I am sorry“, wie ein Mantra. Wir wussten nicht, was ihm leid tat. Wie er aussah, hätte ihm alles Mögliche leid tun können: Die Ungerechtigkeit, das mangelnde Verständnis füreinander, der Hass und die Dummheit in der Welt. Vielleicht tat es ihm leid, dass sich ausgerechnet gerade jetzt eine der wenigen Gelegenheiten bot, mit Ausländern zu sprechen, da er zu betrunken war, um normal zu reden. Seine Augen verrieten ein verzweifeltes Verlangen, zu kommunizieren, aber sein vom Bier benebelter Geist ließ ihn im Stich. Seine Freunde nahmen meinen Arm und deuteten auf den ruhigsten der vier.
„Er“, verkündete er mit schwingender Geste, „ist ein Inka.“ Sie fanden das extrem witzig. Er sah tatsächlich so aus: Eine lange Adlernase und ein verkniffenes, aristokratisches, lederfarbenes Gesicht. Der Inka lehnte sich in seinem Stuhl schwankend nach vorn, seine Augen in relative Ferne gerichtet. Er schenkte uns ein glückliches, betrunkenes Lächeln und winkte uns näher heran. „Ich … bin … ein Inka“, strahlte er, leicht schwankend. „Er ist ein Inka“, grölten seine Freunde entzückt und klopften ihm auf den Rücken.
„Ja, er ist ein Inka“, stimmten wir zu. Es war eine von diesen typischen Konversationen. Wir alle wollten uns unterhalten, aber uns fehlten die Mittel dazu. Die Peruaner schlugen auf den Tisch und auf ihren Freund und boten uns noch mehr Bier an. „Er ist ein Inka“, riefen sie uns nach, als wir gingen. „Es tut mir leid“, murmelte der traurig dreinblickende Mann in sein Bier.
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Guayaquil … Unabhängigkeit
„Für die Indianer war die Republik eine neue Bezeichnung für die Politik der regierenden Klasse. Die Unabhängigkeit brachte den Indianern keine Freiheit.“
Manifest von Tiwanaka, Bolivien 1973
Als wir wieder über die Grenze nach Ecuador fuhren, stiegen wir in Guayaquil in einen anderen Bus um. Ecuadors größte Stadt ist einbelebter Industriehafen, dem der Charme Quitos fehlt und den darumdie meisten Touristen meiden. Wir fuhren sofort weiter.
Guayaquil hat nur einmal internationale Schlagzeilen gemacht, als sich im Juli 1822 die beiden größten Revolutionäre Südamerikas einmalig trafen. Simón Bolívar, der von Kolumbien herabgekommen war,und José de San Martín, der von Peru heraufgekommen war, hatten zusammengenommen gerade erst die „Befreiung“ des größten Teilsdes Kontinents bewerkstelligt. Nun trafen sie sich, um die Zukunft der neuerdings unabhängigen Staaten zu besprechen. Ihre Zusammenkunft endete aber mit Meinungsverschiedenheiten (womit sie sogleich im allgemeinen Trend der Uneinigkeit lagen, der seither für das ganzeunabhängige Lateinamerika galt); bald waren beide Männer von den Ländern, die sie geschaffen hatten, tief enttäuscht.
„Hat sich also mit der Unabhängigkeit alles geändert?“, fragte Melissa. „Nein“, sagte ich. „Die Unabhängigkeit hat in Lateinamerika kaumetwas verändert, weil sie nicht die grundlegende Struktur der kolonialen Gesellschaft verändert hat. Es war keine echte Revolution. Das einzige,was sich änderte, war, dass die Latino-Eliten keine Steuern mehr an Spanien zahlen mussten. Spanien war sowieso nicht mehr als ein Mittelsmann für den Transfer des Wohlstandes von den lateinamerikanischenMinen und den Encomiendas zu den nordeuropäischen Bankern, die tatsächlich die Eroberung finanziert hatten. Als Spanien aus dem Rennen war, dominierte im neunzehnten Jahrhundert Großbritannien den Handel in Lateinamerika, wie auch die USA ihn heute dominieren. Für die Indianer ergab sich daraus aber keinerlei Veränderung, da sie immer noch wie Sklaven in den Minen und auf den Feldern arbeiten mussten. Melissa lachte. „Du brauchst eins von den … äääh … Dingern, auf denen Leute stehen, wenn sie Reden halten. Du weiß schon, so ein kleines Podest.“
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Mit der Frau bin ich fertig …
Als wir wieder nach Quito kamen, spielte Mark im Gran Casino 2 Pool mit einem bunten Haufen Rucksacktouristen. Er schien ziemlich glücklich zu sein, uns zu sehen. Er wirkte umso glücklicher, als Melissa eine Tüte Gras von „unserem Mann“ in Quito besorgte. Wir gingen zurück in unser Hotelzimmer. Melissa
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