Der Gringo Trail: Ein absurd komischer Road-Trip durch Südamerika (German Edition)
begann, einen Joint zu drehen, aber Mark hob seine Hand, um sie zu unterbrechen. Er nahm unsere Handtücher und stopfte sie in die Ritze unter unserer Tür. Dann ging er zum Fenster und scannte die Straße. Anscheinend zufrieden schloss er die Vorhänge und setzte sich.
„Ich glaube, ich werde verfolgt“, flüsterte er verschwörerisch. „Verfolgt?“, fragten wir. „Von wem?“ „Von der DEA.“ Melissa sah ihn verständnislos an. „Von der Deeyeeyay? Was heißt das auf Englisch?“ „Das ist Englisch. Die DEA. Die United States Drug Enforcement Agency.“
“Oh.” Melissa sah ihn immer noch verständnislos an. „Wer ist das?“ „Also“, erklärte Mark. „Die US-Regierung schickt die DEA und Truppen nach Südamerika, um den Regierungen hier in ‚ihrem‘ Kampf gegen Betäubungsmittel zu ‚helfen‘. Es ist einfacher, als etwas gegen die wahren Ursachen des Drogenkonsums in den Großstädten der USA zu unternehmen – z.B. gegen die Armut. Jedenfalls muss das amerikanische Militär irgendwas finden, um seine Existenz zu rechtfertigen, seit es keine kommunistische Bedrohung mehr gibt.“ 25
---25 1992 betrug das Budget der US-Regierung für solche Operationen 1,2 Milliarden Dollar. General „Mad Max“ Thurman, Kommandeur der US Southern Command, formulierte es so: „Der lateinamerikanische Drogenkrieg ist der einzige Krieg, den wir haben.“
„Und was hat das alles mit dir zu tun?“ Mark brachte uns über seine Rückreise von Bolivien auf den neuesten Stand. Nachdem wir uns in Milluni getrennt hatten, hatte er einen LKW gefunden, der geheimnisvollerweise am Fuß des Bergs gewartet hatte – als wenn er nur darauf gewartet hätte, Mark mitzunehmen. Zurück in La Paz hatte er Jenny ausfindig gemacht. Ein paar Nächte waren sie im La Luna herumgehangen, wo ein chilenischer Flötenspieler an ihrem Tisch gesessen war und mit Tränen in den Augen seine eigenen Kompositionen gespielt hatte. Mark hatte sich so inspiriert gefühlt, dass er sich selbst eine Queña – die Flöte der Anden – gekauft hatte.
Dann hatte Jenny den Vorschlag gemacht, drei Kilo bolivianisches Kokain durch Peru nach Quito zu bringen. Da in Ecuador nur wenig Kokain produziert wird, ist es dort viel teurer. Sie hatte einen Kontaktmann, einen reichen Chilenen, der alles auf einmal kaufen wollte. Ein einziger Deal, kein Ärger und ein fetter Profit. Es klang einfach. Mark stimmte zu.
Sie wohnten zwei Wochen bei Jennys Familie in Miraflores, dem Mittelklasse-Vorort von Lima, wo Jennys hübsche jüngere Schwester ständig versuchte, Mark zu verführen. Weder bei der Grenzüberquerung von Bolivien nach Peru noch von Peru nach Ecuador hatten sie Probleme. Aber in Quito war Jennys chilenischer Freund nicht interessiert. Er hatte gerade erst eine Lieferung von jemand anderem erhalten.
Nun hatten Mark und Jenny eine ziemliche Menge Kokain und keinen Plan, um es loszuwerden. Jenny ging zur Avenida Amazonas, Quitos Hauptstraße, und begann, es jedem anzubieten, den sie kannte. Wie es schien, kannte sie jeden. Was Mark nervös machte war, dass die Menschen meistens auf der anderen Straßenseite waren. Und Jenny hatte eine sehr laute Stimme.
Sie versteckten einen Batzen von dem Koks im Hotel über einer Styroporplatte in der Badezimmerdecke. Am nächsten Morgen war es verschwunden. Mark beschloss, sich von ihr zu trennen. Während Jenny draußen potenzielle Kunden anschrie, wechselte er das Hotel.
Dann fiel ihm auf, dass ihm jemand folgte: Ein hochgewachsener Amerikaner mit Kurzhaarschnitt und Sonnenbrille, schick angezogen und mit glänzenden schwarzen Schuhen. Mark hatte die Theorie, man könnte Zivilbullen an der Gewohnheit erkennen, dass sie ständig ihre Schuhe polieren. Inzwischen waren aber drei Tage vergangen, seit er sich von Jenny getrennt hatte, und nichts war passiert. Mark vermutete, dass sie ihm lediglich folgten, damit er sie zu einem „Mr. Big“ (oder zumindest zu einem etwas höheren Tier) führen würde. Trotzdem ging er nirgendwo hin, wo er Jenny über den Weg laufen konnte.
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Banos
Weihnachten verbrachten wir in Baños. Der Name bedeutet „Bad“, aber er kann auch als „Toiletten“ übersetzt werden. Obwohl der Ort kaum so elegant ist wie sein englisches Gegenstück Bath, handelt es sich ebenfalls um einen Erholungsort. Dieser ist um heiße Quellen herum gebaut worden, die in eine Art heruntergekommenes städtisches Bad geleitet werden. Die Bäder befinden sich am Stadtrand,
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