Der Gringo Trail: Ein absurd komischer Road-Trip durch Südamerika
lei sten und Opfer darbringen, um solche Störungen auszugleichen. „Jüngeren Brüdern“ wie uns, so schien mir, trauten sie wohl nicht zu, dieses Gleichgewicht zu respektieren. Also waren uns die Gipfel verwehrt.
Aber auch das Tal war ein bezaubernder Ort. Eine Latino-Frau vermietete Zimmer in ihrem Bauernhaus, einem hübschen stei nernen Häuschen am Bach. Wir erforschten das Vorgebirge und das Dorf und schwammen in Felstümpeln. Robert, der Diabetiker war, kollabierte immer mitten im Bach. Gelegentlich galoppierten Raphael und die Kanadier auf Pferden vorbei; Raphael war ausge stattet wie Prince Charles bei einem Polo-Spiel.
Die Arhuaco blieben weiterhin rätselhaft und distanziert. Sie be grüßten uns höflich, zeigten aber wenig Lust, sich zu unterhalten. Als wir zum Dorfladen gingen, fuhr der Inhaber noch eine halbe Stunde lang damit fort, Koka zu zermahlen, bevor er uns bediente. Sie zeigten schon mehr Interesse, als wir eine ihrer Taschen kaufen wollten. In Kolumbien sind die Arhuaco für ihre Wolltaschen, die Mochilas , berühmt, die von den Männern gestrickt werden und in Bogotá sehr in Mode sind. Melissa fand sie toll und kaufte gleich zwei davon. Von da an zeigten alle Leute, an denen wir vorbeika men, auf ihre Mochillas und fragten, ob wir sie kaufen wollten. Der Reiseführer warnte uns davor, die Arhuaco zu fotografieren oder ihnen Alkohol anzubieten, was wir strikt einhielten.
Wir verbrachten zwei Tage damit, einen Wasserfall zu suchen. „Was hat euch der Wasserfall geschickt?“, fragte ein alter Mann, dem wir auf dem Rückweg begegneten. „Er hat uns seine Liebe geschickt“, antwortete Marcela. Der Mann dachte eine Weile über diese Antwort nach und nickte dann bedächtig.
Eine Woche später fuhr ein Jeep zurück nach Pueblo Bello. Es war das erste Fahrzeug, das wir seit unserer Ankunft gesehen hatten. Die Kanadier saßen schon drin. Von Raphael war nichts zu sehen. „Der Kerl war nichts weiter als ein verdammter Betrüger. Wir haben ihm gesagt, wo er sich seine Dienste hinstecken sollte. Wir sind ohne ihn genauso gut zurechtgekommen“, sagte Randy ge dehnt. „Mann, diese Typen sehen großartig aus, was“, fügte er hin zu. „Ich hoffe bloß, dass die Fotos gut rauskommen.“ „Ich dachte, die Arhuaco wollen nicht fotografiert werden“, sagte ich. „Also das hat uns keiner gesagt. Aber die Typen haben sich voll darüber gefreut.“
Nicht nur das. Sie waren auch in der Nacht um ein Lagerfeuer gesessen, hatten sich betrunken und sich prächtig amüsiert. Die Kanadier hatten sogar ein paar von den Ältesten der Arhuaco nach Kanada eingeladen.
Der Fußmarsch hierher mochte hart gewesen sein, aber die Fahrt zurück war schlimmer. Mir war schlecht. Aus irgendeinem Grund schien ich immer nur vor langen, holprigen Fahrten krank zu werden. Diese Fahrt war lang und holprig. Die Straße sah aus, als hätte es zwei Wochen zuvor ein Erdbeben gegeben. Das lag daran, dass es hier zwei Wochen zuvor tatsächlich ein Erdbeben gegeben hatte. Es waren gewaltige Risse darin – und Abgründe, in die ein Auto hineinfallen konnte. Wie auch immer die Oberflä che vorher beschaffen gewesen war – jetzt bestand sie nur noch aus losem Schotter. Der Fahrer hatte zwei Holzdielen dabei, um Spalten zu überqueren, die man nicht umfahren konnte. Der Jeep war gestopft voll. Immer wenn wir durch ein Schlagloch fuhren (ca. alle zehn Sekunden) schlug mein Kopf gegen das Blechdach. Diese drei Stunden waren eine reine Qual.
Kapitel 6
Die Karibik : Karneval !
Santa Marta
Der Bus zur Küste war geradezu luxuriös. Es war seine Jung fernfahrt – Schilder, die über die ganze Busstation verteilt waren, priesen ihn als das Allerneueste an Komfort und Zuverlässigkeit an. Es wurde sogar ein Band zerschnitten. Ich machte es mir in meinem Sitz gemütlich und zupfte gerade unauffällig an meiner Nase, als ein Fotograf an Bord sprang und uns für die Publicity fotografierte. In meinen Albträumen komme ich nach Kolumbien zurück und stelle fest, dass mein Bild überall in den Busstationen verteilt ist – mit einem Finger im linken Nasenloch.
Wir erreichten Santa Marta im Morgengrauen. Diesmal hatten wir das Hochland endgültig hinter uns gelassen. Es war sieben Uhr morgens und hier an der Karibik schon brütend heiß. Wir nahmen ein Taxi zum Hotel Miramar.
„Die Costeña -Mädchen sind die schönsten in ganz Kolumbien“, verkündete der Taxifahrer. Nach kurzem Nachdenken machte er eine schwungvolle Geste mit der
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