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Der größere Teil der Welt - Roman

Der größere Teil der Welt - Roman

Titel: Der größere Teil der Welt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Egan
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zu Zigarrenstumpen verrußt, und als er die Arme ausstreckte, schob sich sein Sweatshirt hoch und entblößte einen weichen weißen Rücken. Sasha wandte sich ab, bestürzt über die Erniedrigung des alten Mannes, sie wollte jetzt unbedingt zu ihrem Vertretungsjob aufbrechen, aber der Klempner redete mit ihr, wollte wissen, wie oft und wie lange sie duschte. »Gar nicht«, teilte sie ihm kurz angebunden mit. »Ich dusche im Fitnessstudio.« Er nickte, ohne auf ihre Grobheit zu reagieren, offenbar war er an Grobheit gewöhnt. Sashas Nase fing an zu kribbeln. Sie schloss die Augen und presste die Hände gegen die Schläfen.
    Als sie sie wieder aufmachte, sah sie zu ihren Füßen den Werkzeuggürtel des Klempners liegen. Darin steckte ein wunderschöner Schraubenzieher, sein durchscheinender, orangefarbener Griff leuchtete in seiner abgenutzten Lederschlinge wie ein Lolli, der silberne Schaft eine funkelnde Skulptur. Sasha warf sich mit einem einzigen gähnenden Verlangen auf diesen Gegenstand, sie musste den Schraubenzieher einfach in die Hand nehmen, und sei es nur für eine Minute. Sie kniete sich hin und zog ihn lautlos aus dem Gürtel. Nicht das kleinste Klirren eines Armreifs, ihre knochigen Hände waren bei den meisten Tätigkeiten hoffnungslos ungeschickt, aber hierbei waren sie geschmeidig – wie dafür geschaffen, dachte sie oft in den ersten berauschenden Momenten, nachdem sie etwas gestohlen hatte. Und kaum lag der Schraubenzieher in ihrer Hand, verspürte sie sofort die Erlösung von dem Schmerz, den es bedeutete, dass ein alter Mann mit verletzlichem Rücken unter ihrer Badewanne herumschnaufte, und dann noch mehr als Erlösung: eine wunderbare Gleichgültigkeit, als sei allein die Vorstellung, so etwas könnte wehtun, schon absurd.
    »Und was war, nachdem er gegangen war?«, hatte Coz gefragt, als Sasha ihm die Geschichte erzählte. »Wie sah der Schraubenzieher dann für Sie aus?«
    Einen Moment lang herrschte Schweigen. »Normal«, sagte sie dann.
    »Wirklich? Nicht mehr besonders?«
    »Wie jeder andere Schraubenzieher auch.«
    Sasha hörte, wie Coz sich hinter ihr anders hinsetzte, und sie spürte, dass im Zimmer etwas passierte: Der Schraubenzieher, den sie auf den Tisch gelegt hatte (der erst kürzlich um einen zweiten Tisch erweitert worden war), auf dem sie die gestohlenen Gegenstände ablegte und den sie seither so gut wie nie mehr angeschaut hatte, schien in Coz’ Sprechzimmer in der Luft zu hängen. Er schwebte zwischen ihnen: ein Symbol.
    »Und was war das für ein Gefühl?«, fragte Coz gelassen. »Den Klempner zu bestehlen, der Ihnen leidgetan hatte?«
    Was das für ein Gefühl war? Was das für ein Gefühl war? Natürlich gab es darauf eine richtige Antwort. Manchmal hätte Sasha am liebsten gelogen, schlicht, um sie Coz vorzuenthalten.
    »Mir ging’s schlecht«, sagte sie. »Okay? Es war ein schlechtes Gefühl. Verdammt, ich mach mich arm, um Sie zu bezahlen – klar hab ich kapiert, dass das kein tolles Leben ist.«
    Coz hatte mehr als einmal versucht, den Klempner mit Sashas Vater in Verbindung zu bringen, der verschwand, als sie sechs war. Sie gab sich alle Mühe, sich auf solche Überlegungen nicht mehr einzulassen. »Ich kann mich nicht an ihn erinnern«, sagte sie zu Coz. »Ich habe nichts zu sagen.« Sie tat das, um Coz zu beschützen und sich selbst – sie schrieben an einer Geschichte über Erlösung, neue Anfänge und zweite Chancen. Von der anderen Richtung war nur Kummer zu erwarten.
    Sasha und Alex durchquerten das Foyer des Lassimo-Hotels in Richtung Straße. Sasha klemmte sich ihre Handtasche unter den Arm, die warme Brieftasche schmiegte sich in ihre Achselhöhle. Als sie an den mit eckigen Knospen besetzten Zweigen neben den riesigen Glastüren vorbeikamen, lief ihnen eine Frau über den Weg. »Halt«, sagte sie. »Sie haben nicht zufällig gesehen – ich bin verzweifelt.«
    Sasha zuckte entsetzt zusammen. Das war die Frau, deren Brieftasche sie genommen hatte – das wusste sie sofort, obwohl die Person hier vor ihr keinerlei Gemeinsamkeiten mit der munteren, schwarzhaarigen Brieftaschenbesitzerin aufwies, die sie sich vorgestellt hatte. Diese Frau hier hatte verletzliche braune Augen und flache spitze Schuhe, die zu laut über den Marmorboden klapperten. Ihr krauses braunes Haar war schon deutlich ergraut.
    Sasha nahm Alex am Arm und versuchte ihn durch den Ausgang zu bugsieren. Sie spürte, wie sein Puls bei dieser Berührung vor Überraschung schneller schlug,

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