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Der größere Teil der Welt - Roman

Der größere Teil der Welt - Roman

Titel: Der größere Teil der Welt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Egan
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es einen Club gegeben hatte, in dessen Imbiss dünne, fettige Burger serviert wurden, kein Nizzasalat mit frisch geschnittenem Thunfisch wie hier, wo aber auf von der Sonne ausgetrockneten Plätzen Tennis gespielt wurde und wo Stephanie etwa im Alter von dreizehn zu einem gewissen Ruhm gekommen war. Seitdem hatte sie nicht mehr gespielt.
    Am Ende dieses ersten Tages, matt von der Sonne, duschten sie, zogen sich wieder um und saßen auf einer Terrasse mit Steinplatten, wo ein Pianist auf einem glänzenden Klavier harmlose Melodien klimperte. Die Sonne stand inzwischen tief am Horizont. Chris tollte auf dem angrenzenden Rasen mit zwei Mädchen aus seinem Kindergarten herum. Bennie und Stephanie nippten an ihren Gin Tonics und sahen den Glühwürmchen zu. »So ist das also«, sagte Bennie.
    Stephanie fielen etliche mögliche Antworten darauf ein: Sie könnte auf die Tatsache hinweisen, dass sie noch immer niemanden kannten, oder auf ihren Verdacht, dass es auch niemanden gab, der es wert gewesen wäre, ihn kennenzulernen. Aber sie ließ die Gelegenheit ungenutzt verstreichen. Bennie hatte sich Crandale ausgesucht, und im tiefsten Herzen wusste Stephanie, warum: Sie waren in Privatjets zu Inseln geflogen, die Rockstars gehörten, aber dieser Countryclub war am weitesten entfernt von Bennies dunkeläugiger Großmutter in Daly City. Er hatte seine Plattenfirma ein Jahr zuvor verkauft; wie konnte er den Erfolg besser zur Schau stellen als dadurch, sich an einem Ort niederzulassen, an den er nicht gehörte?
    Stephanie nahm Bennies Hand und küsste einen Fingerknöchel. »Vielleicht kaufe ich mir einen Tennisschläger«, sagte sie.
    Die Einladung zur Party kam drei Wochen später. Der Gastgeber, ein Hedgefondsmanager namens Duck, hatte sie eingeladen, nachdem er erfahren hatte, dass Bennie die Conduits, Ducks Lieblingsrockgruppe, entdeckt und ihre Alben veröffentlicht hatte. Stephanie fand die beiden ins Gespräch vertieft am Pool, als sie von ihrer ersten Tennisstunde zurückkam. »Ich wünschte, sie würden sich wieder zusammentun«, sagte Duck nachdenklich. »Was ist eigentlich aus diesem spastischen Gitarristen geworden?«
    »Bosco? Der macht noch immer Aufnahmen«, sagte Bennie diplomatisch. »Sein neues Album erscheint in zwei Monaten. A to B. Seine Solosachen sind introvertierter.« Er erwähnte nicht, dass Bosco ein fetter, krebskranker Alkoholiker war. Er war ihr ältester Freund.
    Stephanie hatte sich auf die Kante von Bennies Liegestuhl gesetzt, mit gerötetem Gesicht, weil sie auf dem Platz erfolgreich gekämpft hatte, ihr Topspin war noch genauso gut wie früher und ihr Aufschlag von schneidender Härte. Sie hatte bemerkt, dass die eine oder andere Blondine vor dem Tennisplatz stehen geblieben war und zugeschaut hatte, und war stolz darauf gewesen, wie anders sie aussah als diese Frauen: Sie hatte kurze dunkle Haare, einen minoischen Oktopus auf die eine Wade tätowiert und trug außerdem mehrere klobige Ringe. Sie hatte sich trotzdem für diese Gelegenheit ein Tenniskleid gekauft, schmal und weiß, darunter winzige weiße Shorts: das erste weiße Outfit, das Stephanie in ihrem Erwachsenenleben besessen hatte.
    Auf der Cocktailparty fiel ihr Blick über eine vollbesetzte Terrasse hinweg auf – wen auch sonst – Kathy. Während Stephanie sich noch fragte, ob sie abermals ein echtes Hallo verdienen oder mit einem herablassenden, verkniffenen Wer-bist-du?-Lächeln bedacht werden würde, fing Kathy ihren Blick auf und kam auf sie zu. Gegenseitige Vorstellungen folgten. Kathys Mann Clay trug Seersuckershorts und ein rosa Oxfordhemd, eine Zusammenstellung, die an jedem anderen nur ironisch hätte gemeint sein können. Kathy trug klassisches Marineblau, was das leuchtende Blau ihrer Augen hervorhob. Stephanie spürte, wie Bennies Blick an Kathy hängenblieb und sie sich anspannte – ein Aufwallen von Unbehagen, das ihr geblieben war, aber so schnell verflog wie sein Interesse (er redete jetzt mit Clay). Kathy trug ihre blonden Haare offen, nur an den Seiten wurden sie noch von Klammern gehalten. Stephanie fragte sich vage, wie viele Haarklammern diese Frau in einer Woche wohl verbrauchte.
    »Ich hab Sie auf dem Platz gesehen«, sagte Kathy.
    »Ich habe lange nicht mehr gespielt«, sagte Stephanie. »Ich komme jetzt erst wieder auf den Geschmack.«
    »Wir sollten mal zusammen spielen.«
    »Klar«, sagte Stephanie lässig, aber sie spürte, wie ihr das Herz bis zum Hals schlug, und als Clay und Kathy weitergingen,

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