Der größere Teil der Welt - Roman
Moment. »Nein«, sagte er dann.
»Hör mal«, sagte Stephanie. »Ich mag deine Ehrlichkeit ja, Bosco …«
»Komm mir ja nicht mit ›ich mag deine Ehrlichkeit, Bosco‹«, sagte er. »Werd mir hier nicht so eine PR -Tussi.«
»Ich bin deine Pressesprecherin«, erinnerte Stephanie ihn.
»Ja, aber fang bloß nicht an, an diesen Scheiß zu glauben«, sagte Bosco. »Dafür bist du zu alt.«
»Ich wollte nur taktvoll sein«, sagte Stephanie. »Aber Tatsache ist, keinen interessiert es, dass dein Leben vor die Hunde gegangen ist, Bosco. Du machst dich lächerlich, wenn du das für interessant hältst. Wenn du noch ein Rockstar wärst, wäre es das vielleicht, aber du bist kein Rockstar – du bist ein Relikt.«
»Das ist aber gemein«, sagte Jules.
Bosco lachte. »Sie ist angepisst, weil ich sie alt genannt habe.«
»Stimmt«, gab Stephanie zu.
Jules ließ seinen Blick nervös zwischen den beiden hin- und herwandern. Jede Art von Konflikt setzte ihm zu.
»Hör mal«, sagte Stephanie. »Ich kann dir sagen, dass das eine großartige, innovative Idee ist, und warten, bis sie dann von selbst verpufft, oder ich sage es dir gleich: Das ist eine lächerliche Idee. Das interessiert kein Schwein.«
»Du kennst meine Idee doch noch gar nicht«, sagte Bosco.
Jules holte einen Klappstuhl und setzte sich. »Ich will auf Tour gehen«, sagte Bosco. »So wie früher, denselben Kram auf der Bühne machen. Ich werde mich bewegen wie früher, nur noch extremer.«
Stephanie stellte ihre Tasse ab. Sie wünschte, Bennie wäre da; nur Bennie könnte das Ausmaß der Selbsttäuschung verstehen, deren Zeugin sie gerade wurde. »Wenn ich das also richtig verstanden habe«, sagte sie, »dann willst du eine Menge Interviews und Presse dafür bekommen, dass du ein kränkelnder, verblasster Schatten deines früheren Selbst bist. Und dann willst du auf Tour gehen …«
»Durch das ganze Land.«
»Durch das ganze Land, wo du auftrittst, als wärst du noch dieses frühere Selbst.«
»Genau.«
Stephanie holte tief Luft. »Ich sehe da ein paar Probleme, Bosco.«
»Habe ich mir gedacht«, sagte er und zwinkerte Jules zu. »Schieß los.«
»Na ja, zunächst einmal wird es schwer sein, Journalisten für dich zu interessieren.«
»Ich interessiere mich dafür«, sagte Jules. »Und ich bin Journalist.«
Gott bewahre, wäre es Stephanie fast entfahren, aber sie riss sich zusammen. Sie hatte seit vielen Jahren nicht mehr gehört, dass ihr Bruder sich als Journalist bezeichnete.
»Na gut, dann hast du also einen interessierten Journalisten …«
»Er kriegt alles«, sagte Bosco. Er drehte sich zu Jules um. »Du kriegst alles. Exklusiven Zugang. Du kannst mir beim Scheißen zusehen, wenn du willst.«
Jules schluckte. »Ich werd’s mir überlegen.«
»Ich wollte damit nur sagen, dass es keine Grenzen gibt.«
»Okay«, meldete Stephanie sich wieder zu Wort, »du wirst also …«
»Du kannst mich auch filmen«, sagte Bosco zu Jules. »Du kannst einen Dokumentarfilm machen, wenn du Lust hast.«
Jules sah inzwischen fast ängstlich aus.
»Kannst du mich wenigstens ein verdammtes Mal ausreden lassen?«, fragte Stephanie. »Du hast einen Journalisten für deine Geschichte, die keinen Menschen interessieren wird …«
»Wusstest du, dass das hier meine Pressesprecherin ist?«, fragte Bosco Jules. »Ob ich sie feuern soll?«
»Viel Glück bei der Suche nach einer anderen«, sagte Stephanie. »Also, was die Tour betrifft.«
Bosco grinste, er saß fest wie ein Korken in seinem klebrigen Sessel, der für jeden anderen eine Couch gewesen wäre. Plötzlich empfand sie Mitleid mit ihm. »Es wird nicht leicht sein, Gigs zu kriegen«, sagte sie sanft. »Ich will damit sagen, du warst eine Weile nicht mehr auf Tour, du kannst nicht … Du sagst, du willst so auftreten wie früher, aber …« Bosco lachte ihr ins Gesicht, aber Stephanie machte tapfer weiter. »Körperlich bist du nicht – ich meine, deine Gesundheit …« Sie redete um die Tatsache herum, dass Bosco nicht im Entferntesten in der Lage war, so wie früher aufzutreten, und dass der bloße Versuch ihn umbringen würde – vermutlich eher früher als später.
»Kapierst du das nicht, Steph?«, brach es schließlich aus Bosco heraus. »Genau darum geht es doch. Wir wissen, wie es enden wird, aber wir wissen nicht, wann, wo oder wer dabei sein wird, wenn es irgendwann so weit ist. Es wird eine Selbstmordtour.«
Stephanie lachte los. Sie konnte nicht sagen, warum, aber sie fand
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