Der größere Teil der Welt - Roman
Horizont.
Bennie kam endlich nach Hause und ging sofort nach oben, um zu duschen. Stephanie legte tiefgefrorene Hähnchenschenkel zum Auftauen in warmes Wasser und ging dann ebenfalls nach oben. Dampf quoll durch die offene Badezimmertür in ihr Schlafzimmer und wirbelte in den letzten Sonnenstrahlen. Stephanie hätte auch gern geduscht – sie hatten eine Doppeldusche mit handgefertigten Armaturen, über deren astronomischen Preis sie sich gestritten hatten. Aber Bennie hatte nicht nachgegeben.
Sie streifte die Schuhe ab, knöpfte ihre Bluse auf und warf sie zu Bennies Kleidern auf das Bett. Der Inhalt seiner Taschen war auf dem kleinen antiken Tisch verstreut, wo er ihn immer hinlegte. Stephanie warf einen Blick darauf, eine alte Gewohnheit aus den Tagen, als sie mit ständigem Misstrauen gelebt hatte. Münzen, Kaugummipapiere, ein Parkschein. Als sie weiterging, blieb etwas an ihrer nackten Fußsohle kleben. Sie zog es von der Haut – es war eine Haarklammer – und steuerte den Papierkorb an. Ehe sie sie hineinwarf, betrachtete sie die Klammer noch einmal genauer: gewöhnliches helles Gold, genau wie die Haarklammern, die man in den Ecken der Häuser fast jeder Frau in Crandale finden konnte. Nur nicht in ihrem eigenen.
Stephanie blieb stehen und hielt die Klammer in der Hand. Es gab tausend Gründe, aus denen sie hier sein könnte – eine Party bei ihnen, Freundinnen, die vielleicht hier oben gewesen waren, weil sie zur Toilette gemusst hatten, die Putzfrau –, aber Stephanie wusste, wem die Klammer gehörte, als ob sie es schon immer gewusst hätte, als ob sie es nicht entdeckt, sondern sich daran erinnert hätte. Sie ließ sich in Rock und BH auf das Bett sinken, sie schwitzte und fror gleichzeitig, benommen von dem Schock. Natürlich. Sie brauchte überhaupt keine Fantasie, um zu sehen, wie sich alles gefügt hatte: Schmerz, Rache, Macht, Verlangen. Er hatte mit Kathy geschlafen. Natürlich.
Stephanie zog ihre Bluse wieder an und knöpfte sie sorgfältig zu, dabei hielt sie noch immer die Haarklammer in der Hand. Sie ging ins Badezimmer und versuchte, durch Dampf und fließendes Wasser Bennies schlanke braune Gestalt auszumachen. Er hatte sie noch nicht gesehen. Und dann hielt sie inne, zurückgehalten von dem schrecklichen Gefühl, das alles schon zu kennen, genau zu wissen, was er sagen würde: das Hin und Her aus Leugnen und Entschuldigungen, bei dem Bennie kein gutes Haar an sich ließ und sie selbst zwischen Zorn und verletztem Selbstwertgefühl schwankte. Sie hatte geglaubt, diesen Weg nie wieder gehen zu müssen. Hatte es wirklich geglaubt.
Sie verließ das Badezimmer und warf die Klammer in den Abfall. Sie ging lautlos auf bloßen Füßen die Vordertreppe hinunter. Jules und Chris waren in der Küche und ließen sich mit Wasser aus dem Filter volllaufen. Stephanies einziger Wunsch war, wegzukommen, als trage sie eine Granate aus dem Haus, die nur sie selbst zerstören sollte, wenn sie schließlich explodierte.
Der Himmel über den Bäumen war von einem stählernen Blau, aber der Garten war dunkel. Stephanie ging zum Rand des Rasens und setzte sich, die Stirn auf die Knie gelegt. Gras und Boden waren noch warm vom Sonnenschein des Tages. Sie hätte gern geweint, konnte es aber nicht. Der Schmerz saß zu tief.
Sie legte sich hin, rollte sich in Embryohaltung im Gras zusammen, wie um ihre Wunden zu verbergen oder den Schmerz in Schach zu halten, den sie ihr bereiteten. Jeder Gedanke vergrößerte ihr Entsetzen, ihre Überzeugung, dass sie sich davon nicht erholen könnte, dass sie keine Kräfte mehr besäße, die sie mobilisieren konnte. Sie verstand nicht, warum es schlimmer war als bei den bisherigen Malen. Aber es war so.
Sie hörte Bennies Stimme aus der Küche: »Steph?«
Sie stand auf und taumelte in ein Blumenbeet. Sie und Bennie hatten es gemeinsam bepflanzt: Gladiolen, Herzblattlilien, Sonnenhut. Sie hörte, wie die Stängel unter ihren Füßen zerbrachen, aber sie schaute nicht nach unten. Sie ging bis zum Zaun und kniete sich auf die Erde.
»Mom?« Das war Chris’ Stimme, von oben. Stephanie hielt sich die Ohren zu.
Dann hörte sie eine andere Stimme, die so nah war, dass Stephanie sie durch ihre Hände hindurch hören konnte. Sie flüsterte: »Hallo.«
Stephanie brauchte einen Moment, um diese neue, nahe Stimme von denen im Haus zu unterscheiden. Sie empfand keine Furcht, nur eine Art betäubter Neugier. »Wer ist da?«
»Ich bin’s.« Stephanie merkte jetzt erst, dass
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