Der größte Raubzug der Geschichte
Termingeschäfte, deren Preis unmittelbar oder mittelbar vom Preis eines zugrunde liegenden Basiswertes (Underlyings) abhängt.“ 464
Worin liegt die Gefahr?
Der Stern schreibt in seiner Ausgabe 36/2010: „Das Treiben an der EUREX bestimmt immer stärker, wie und wovon wir leben, was wir konsumieren und wieviel Geld wir ausgeben können.“ Wieso ist das der Fall?
Derivate haben mit der eigentlichen Wirtschaft nichts mehr zu tun. Man könnte statt von Termingeschäften an der EUREX auch vom größten Wettbüro der Welt sprechen. Das Volumen aller an Terminbörsen gehandelten Derivate betrug Ende 2009 bereits rund 334 Billionen Euro. Das ist siebenmal mehr, als alle Unternehmen der Welt in diesem Jahr erwirtschafteten. Mit diesem Geld könnte man jedem Bewohner der Erde 50 000 Euro ausbezahlen.
700 000 000 000 000 Dollar
„Der Handel mit Finanzderivaten war 1990 fünf Billionen Dollar schwer, 2010 betrug das Volumen bereits 601 Billionen Dollar und 2011 wurden mehr als 700 Billionen Dollar umgesetzt – eine Zunahme um den Faktor 140. Die Weltwirtschaft ist in der Zeit von 22 auf 69 Billionen gewachsen.“ 465
Wetten auf alles
Wetten kann man so ziemlich auf alles, z. B. wie viel eine bestimmte Menge Ware zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Zukunft kosten wird. Hierbei kann es sich um Weizen, Orangensaft, Öl etc. handeln.
Beispielsweise wettet man, wie viel ein Sack Weizen am Ende des Jahres kosten wird. Eine solche Wette auf künftige Preise nennt man Option. Denn der Käufer der Option hat theoretisch gesehen das Recht auf die Auslieferung der Ware. Der Händler hat kein besonders großes Interesse an dem Weizen. Er will Geld verdienen und keinen Weizen zu Brot verarbeiten. Aus diesem Grund verkauft er seine Option auf den Sack Weizen lange vor der Lieferung weiter. Sind global viele Händler der Meinung, Weizen wird teurer, macht der Händler einen Gewinn, ist es andersherum, macht er einen Verlust. Ungünstig für die Händler war, dass irgendwann jede Option fällig wird und die Ware geliefert wird. Dies ist natürlich nicht im Interesse eines Händlers. Um dieses lästige Problem aus der Welt zu schaffen, erfand die Finanzindustrie den sogenannten Future. Ein Future ist eine Option, die schlicht und einfach niemals fällig wird. Man wettet weiterhin, was ein Sack Weizen in einem Jahr kosten wird, schiebt aber den Termin immer weiter vor sich her. Auch in sechs Monaten bemisst sich der Preis noch danach, was der Sack Weizen wohl in einem Jahr kosten wird. Somit wird eine irrsinnige Spekulation ausgelöst, völlig losgelöst von dem Besitz realer Güter oder echter Preise, da die Lieferung ja nie vorgesehen ist. Eine reine Wette. Selbstredend bieten Terminmärkte auch Futures auf das Wetter an.
Waren- und Rohstoffterminkontrakte werden seit Jahrhunderten unter Kaufleuten, Bauern und Produzenten gehandelt. Jedoch erst seit der geregelte Terminhandel 1863 in Chicago begann, gibt es Spekulanten, die mit der Preisentwicklung einen Reibach machen. Heute werden unsere Preise jedoch nicht mehr von Menschen, sondern von Computern diktiert. Allerdings macht der Terminhandel mit Rohstoffen nur ungefähr ein Prozent des weltweiten Umsatzes aus und wird überwiegend von Amerikanern und Briten dominiert. 466
Was sind aber dann die restlichen 99 Prozent?
Anfang der Neunziger Jahre erfanden deutsche Finanzjongleure etwas völlig Perverses: Wetten auf Aktien und Anleihepreise. Ein paar Frankfurter Banker und Berater übertrugen das, was über Jahrzehnte nur als reeller Kauf oder (Leer-) Verkauf möglich war, als Kontrakte an die Terminbörse.
Zinsderivate in Höhe von 465 260 Mrd. Dollar
Den mit Abstand größten Teil des Markts machen Zinsderivate aus (Geschäfte, die als Basiswert einen Zins haben oder sich auf einen solchen beziehen). Wert Ende 2010: 465 260 Milliarden Dollar. Dagegen wirken Aktienderivate mit einem Volumen von 5635 Milliarden Dollar und Rohwaren-Derivate mit einem Volumen von 2922 Milliarden Dollar geradezu lächerlich. Auch die Derivate-Kategorie der sogenannten Kreditausfall-Swaps (Credit Default Swaps, CDS) mit einem Volumen von 29 898 Milliarden wirkt dagegen recht überschaubar. 467 Genau wie bei den Waren- und Rohstoffterminkontrakten werden auch die Finanzderivate von Computern ge- und verkauft, die in Millisekunden reagieren.
Wie volatil die Rechner sind, zeigt uns das Beispiel vom 6. Mai 2010, als an der New Yorker Börse die Kurse von mehreren Hundert Aktien abstürzten. Der
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