Der größte Raubzug der Geschichte
Handelsbilanz und eine daraus resultierende stark steigende Staatsverschuldung vorzuweisen. Die Inflation war absurd hoch. Im Laufe der Zeit verteuerten sich alle Güter immens.
Beispielweise kostete ein Joghurt bei meiner Ankunft ca. zwei Dollar. Was an sich schon teuer war. Nur drei Monate später waren es schon 2,50 Dollar und wiederum einen Monat später schon 3,20 Dollar. Telefonieren war purer Luxus. Meine Telefonkosten beliefen sich auf über 1000 Euro pro Monat. Mir blieb bei meinerersten Rechnung beinahe das Herz stehen. Ich war davon überzeugt, dass es sich bei der Rechnung um einen Irrtum handelte – dies war jedoch nicht der Fall. Argentinien hatte zeitweise die höchsten Telefongebühren der Welt. Die Inflation war enorm. Die Preise stiegen täglich.
Der IWF versuchte Argentinien zu helfen – ohne Erfolg. Ganz im Gegenteil, die Lage wurde eher „verschlimmbessert“.
Die Beschwichtigungen des unglücklich agierenden Präsidenten De la Rúa wurden immer häufiger und verzweifelter. Spätestens im Herbst warvielen klardas Argentinien hoffnungslos verschuldet war. Ähnliche Beteuerungen sehe ich momentan von einem Herrn Trichet, Barroso, Schäuble und Juncker.
Aufgrund der zunehmenden Kapitalflucht sah sich die Regierung gezwungen, sämtliche Bankguthaben einzufrieren (Corralito) und die Banken zeitweise zu schließen. Als ich an jenem Morgen aufwachte, waren alle Banken geschlossen und die Bankautomaten funktionierten nicht mehr. Die Leute waren außersich.
Es durften nur noch 250 Peso pro Konto und Woche abgehoben werden. Die Währung wurde über Nacht abgewertet und alle Dollarguthaben wurden in Pesos umgewandelt. Jeder Bürger war über Nacht ärmer geworden. Viele aus der Ober- und Mittelschicht verloren viel bis zu teilweise fast alles. Die Wut war enorm und absolut verständlich. Der Staat hatte seine eigenen Bürger in einer Nacht- und Nebelaktion beraubt.
Die Folge waren starke soziale Unruhen und Plünderungen. Die Kriminalität stieg immens. Der Peso verlor weiter drastisch an Wert, und die Immobilienpreise fielen stark (bis zu 90 Prozent). Die Lage spitzte sich weiter dramatisch zu. Es gab viele Tote und Verletzte bei den Demonstrationen und schließlich musste Präsident De la Rúa filmreif im Helikopter vor dem wütenden Mob aus dem Präsidentenpalast flüchten. Anschließend wurde ein trauriger Rekord aufgestellt: Es gab innerhalb von zehn Tagen fünf verschiedene Präsidenten.
Anarchie auf den Straßen
Auf den Straßen herrschte pure Anarchie. Die Stadt war nicht mehr sicher. Die Menschen hatten viel oder sogar alles verloren. Die, die nun nichts mehr zu verlieren hatten, ließen ihrer Not, Wut und Verzweiflung freien Lauf. Geschäfte brannten oder wurden geplündert, Menschen überfallen und in Häuser eingebrochen. Die Kriminalität war allgegenwärtig. Die Polizei war maßlos überfordert und beging teilweise selber kriminelle Handlungen.
Ich selber wurde zweimal überfallen und dabei sogar mit einer Waffe bedroht. Auch Handgeld an Polizisten zu bezahlen war gang und gäbe. Ich wollte nur noch raus aus Argentinien, und war froh, als ich es geschafft hatte. Den Glauben an den Kapitalismus, an Papierwerte sowie an ungedecktes Geld hatte ich in Argentinien zurückgelassen. Ich fing an, mich kritisch mit dem System auseinanderzusetzen und Lösungen für die Vermögenssicherung zu finden.
Fazit: Es war der bislang größte Staatsbankrott eines souveränen Staates in der neueren Zeit.
Staatsanleihen im Wert von über 140 Milliarden Dollar wurden wertlos, ein großer Teil davon kam von Privatgläubigern, auch aus Europa und vor allem aus Deutschland. Die deutschen Bankberater empfahlen ihren Kunden die hochverzinsten Papiere mit dem Hinweis: „Ein Staat, der kann doch gar nicht pleitegehen.“ Pustekuchen! Kann er doch!
Der Peso verlor 75 Prozent an Wert, Immobilien bis zu 90 Prozent!
Die Banken wurden immer wieder geschlossen. Die komplette Mittelschicht war von heute auf morgen verarmt. Die Armutsrate stieg auf unglaubliche 57 Prozent und die Arbeitslosenquote überstieg die 20 Prozent-Marke.
Das BIP verlor (offiziell) 2001 4,4 Prozent und 2002 knappe 11 Prozent. Die Inflation war bei 26 Prozent!
Innerhalb weniger Tage bildeten sich neue wirtschaftliche Strukturen. Tauschhandel und Regionalwährungen halfen vielen Argentiniern, die Misere zu überstehen.
Übrigens: Die deutschen Gläubiger warten bis heute auf ihr Geld. Und der nächste argentinische Staatsbankrott ist so
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