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Der groesste Teil der Welt

Der groesste Teil der Welt

Titel: Der groesste Teil der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Egan
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purem Gold hat. Weil Kitty so jung und wohlgenährt ist, so beschützt vor der willkürlichen Grausamkeit anderer, so achtlos gegenüber der Tatsache, dass auch sie älter werden und eines Tages sterben wird (möglicherweise allein), weil sie noch keine Enttäuschung erlebt, sondern nur sich und die Welt mit ihren eigenen frühreifen Erfolgen verblüfft hat, ist Kittys Haut - dieser glatte, weiche, süß duftende Überzug, auf den das Leben die Bilanz unseres Versagens und unserer Erschöpfung schreibt - vollkommen. Und mit »vollkommen« meine ich, dass nichts hängt oder erschlafft oder einreißt oder Runzeln oder Falten oder Wülste bildet - ich meine, dass ihre Haut wie die Oberseite eines Blattes ist, nur eben nicht grün. Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine solche Haut an Geruch, Beschaffenheit, Struktur oder Geschmack unangenehm sein oder etwa (das ist natürlich völlig unvorstellbar) auch nur den geringsten Ausschlag hervorbringen könnte.
    Wir setzen uns auf einen mit Gras bewachsenen Abhang. Kitty spricht jetzt pflichtbewusst wieder über ihren neuen Film, der Geist ihres zurückkehrenden pr-Agenten hat sie sicher daran erinnert, dass Werbung für besagten Film der einzige Grund ist, weswegen sie sich in meiner Gesellschaft befindet.
    »Ach, Kitty«, sage ich. »Vergessen Sie den Film. Wir sind hier im Park, es ist ein wunderschöner Tag. Lassen wir doch diese zwei anderen Menschen hinter uns. Und sprechen wir über… über Pferde.«
    Welch ein Blick. Welch ein Erstaunen! Jede nur erdenkliche kitschige Metapher fällt mir dazu ein: Sonne, die durch Wolken bricht, Blumen, die sich nach dem Blühen sehnen, das plötzliche, geheimnisvolle Auftauchen eines Regenbogens. Es ist vollbracht. Ich bin hindurch oder darum herum oder hinein gedrungen - ich habe die wahre Kitty berührt. Und aus Gründen, die ich nicht verstehen kann, Gründen, die sicher zu den größten Geheimnissen der Quantenphysik gehören, erlebe ich diesen Kontakt als Offenbarung, als etwas Dringliches, als könnte ich, indem ich den Abgrund zwischen mir und dieser jungen Schauspielerin überbrückt habe, mich gerade noch vor einer heraufziehenden Dunkelheit retten.
    Kitty öffnet ihr weißes Handtäschchen und nimmt ein Foto heraus. Ein Foto von einem Pferd! Mit einer sternförmigen Blesse auf der Nase und dem Namen Nixon. »Wie der Präsident?«, fragte ich, aber diese Erwähnung scheint Kitty erschütternd wenig zu sagen. »Mir hat der Name einfach gefallen«, sagt sie und beschreibt, wie es ist, Nixon mit einem Apfel zu füttern, wie er ihn mit seinen Pferdekiefern packt und im Handumdrehen zu einer Kaskade aus milchigem, dampfenden Saft zerquetscht. »Ich sehe ihn jetzt fast nie«, sagt sie mit echter Trauer. »Ich muss jemanden dafür bezahlen, ihn zu reiten, weil ich nie zu Hause bin.«
    »Er muss sich einsam fühlen ohne dich«, sage ich.
    Kitty sieht mich an. Ich glaube, sie hat vergessen, wer ich bin. Ich möchte sie rücklings aufs Gras werfen, und das tue ich auch.
    »He«, ruft mein Gegenüber, mit erstickter und verwirrter Stimme, aber sie klingt noch nicht direkt ängstlich.
    »Stell dir vor, dass du Nixon reitest«, sage ich.
    »he!«, schreit sie, und ich halte ihr den Mund zu, Kitty zappelt unter mir, aber ihr Gezappel wird außer Gefecht gesetzt von meiner Länge - eins neunundachtzig - und meinem Gewicht - hundertsiebzehn Kilo, wovon etwa ein Drittel sich in meinem »Rettungsring« (so Janet Green bei unserer letzten, fehlgeschlagenen sexuellen Begegnung) konzentriert, und dieser Rettungsring presst sie wie ein Sandsack nach unten. Ich halte ihr mit der einen Hand den Mund zu und quetsche die andere zwischen unsere beiden strampelnden Körper, bis ich endlich - ja! - meinen Reißverschluss erwische. Welche Wirkung das alles auf mich ausübt? Nun, wir liegen auf einem Hügel im Central Park, zwar an einer halbwegs geschützten Stelle, die aber theoretisch doch absolut sichtbar ist. Also bin ich besorgt, mir ist vage bewusst, dass ich mit dieser Posse meine Karriere und meinen Ruf ziemlich in Gefahr bringe. Aber mehr noch verspüre ich diesen verrückten - was? - Zorn, es muss Zorn sein; was sonst könnte hinter meinem Drang stecken, Kitty wie einen Fisch aufzuschlitzen und ihre Eingeweide herausquellen zu lassen, oder hinter meinem anderen, damit zusammenhängenden Verlangen, sie aufzubrechen und mit den Armen in die köstliche, duftende Flüssigkeit zu tunken, die sie durchströmt. Ich möchte diese Flüssigkeit auf

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