Der Große Basar: Roman
Gesicht bekommen, doch er kannte sie aus den Geschichten, die die Jongleure erzählten. Sie konnten den Rumpf eines Bootes zerschmettern und die unglücklichen Fischer unter Wasser ziehen. Allein bei der Vorstellung, in den Tiefen seines heimatlichen Sees könnten dunkle, schreckliche Kreaturen ihre Kreise ziehen, überlief Arlen ein kalter Schauer. Der Gedanke, einem solchen Ungeheuer zu begegnen, ängstigte ihn, und dennoch sehnte er sich danach, ans Wasser zu laufen und zu versuchen, einen Blick auf eines dieser Scheusale zu erhaschen.
In manchen Nächten griffen die Dämonen die Schutzsiegel an. Mit voller Wucht warfen sie sich gegen die Türen und Fenster, nur um durch die aufblitzende Magie zurückgeschleudert zu werden. Arlens Eltern zuckten nur selten zusammen, wenn so etwas passierte, denn im Laufe ihres Lebens hatten sie sich an derlei Vorkommnisse gewöhnt.
»Warum greifen sie immer wieder an, wenn sie die Sperre ja doch nicht durchdringen können?«, hatte Arlen seinen Vater einmal gefragt.
»Sie suchen nach Lücken im Netz«, hatte er ihm damals erklärt und sich zu ihm ans Fenster gestellt. »In jedem Schutzkreis gibt es welche. Ohne Ausnahme. Horclinge sind nicht intelligent genug, um die Siegel zu
studieren und die Schwachpunkte zu entdecken, aber sie können blindlings dagegen anrennen und auf diese Weise Breschen finden. Du wirst nie erleben, dass ein Horcling in einer Nacht zweimal dieselbe Stelle attackiert.« Er tippte sich an die Schläfe. »Sie erinnern sich. Und sie wissen, dass mit der Zeit selbst die mächtigsten Siegel schwächer werden.«
Immer und immer wieder erhellte ein gleißendes Licht die Nacht, wenn die Horclinge die Siegel auf die Probe stellten. In winzigen Blitzen flammte Magie auf und tauchte den Hof vorübergehend in einen unheimlichen Schein, und dann konnte Arlen mit angehaltenem Atem beobachten, wie die Horclinge sich abmühten, das Brunnenhaus zu zerstören oder an das Räucherfleisch in dem Vorratsschuppen zu gelangen.
Sie verschonten auch die Scheune nicht, doch die war mit denselben starken Siegeln geschützt wie das Wohnhaus. Dann hörte Arlen, wie das Vieh vor Angst brüllte. Die Tiere würden sich nie an die Dämonen gewöhnen. Instinktiv wussten sie, dass es ihren Tod bedeutete, sollten die Horclinge den Wall aus Schutzzeichen durchbrechen.
Arlen wusste es auch, aus leidvoller Erfahrung. Als er sieben war, hatte er mit ansehen müssen, wie die Dämonen einen ihrer Schäferhunde in Stücke rissen und dessen Eingeweide über den ganzen Hof verstreuten.
Horclinge töteten mit großer Begeisterung. Das Gemetzel bereitete ihnen Vergnügen.
Angeblich hatte es einmal eine Zeit gegeben, in der die Dämonen nicht so dreist waren. Eine Ära, in der die
wirkungsvollsten Siegel noch nicht in Vergessenheit geraten waren; als die Dämonen die Macht der Menschen fürchteten und sich im Horc versteckten. Aber an diese Epoche, falls sie nicht nur ein Hirngespinst war, hätten sich nicht einmal mehr die Ur-Ur-Großväter der ältesten noch lebenden Menschen erinnern können, so weit lag sie zurück. Und die vermeintlich übermächtigen Siegel tauchten nur noch in den Erzählungen der Jongleure auf.
Während Arlen die Kreaturen beobachtete, die ihm schon wieder für eine Nacht seine Welt stahlen, träumte er davon, diese uralten Siegel wiederzuentdecken. Er träumte davon, in Gegenden zu reisen, die hinter Tibbets Bach lagen, und fasste den Entschluss, eines Tages zu diesem Abenteuer aufzubrechen, selbst wenn es bedeutete, dass er eine Nacht im Freien verbringen musste.
Bei den Dämonen.
Brianne
Einführung
Von allen Szenen, die gestrichen wurden, ist diese bei weitem meine liebste, mein armer, verschmähter Favorit. Sie findet in Kapitel dreizehn von Das Lied der Dunkelheit statt, gleich nach der Konfrontation zwischen Gared und Marick auf dem Marktplatz im Tal der Holzfäller. Mit dieser Szene wollte ich Leesha mit Brianne zusammenbringen, die eine ihrer besten Freundinnen war, bis die Ereignisse des ersten Abschnitts, in dem sich Leeshas Geschichte entfaltet, ihre Freundschaft zerstören. Außerdem sollte diese Episode veranschaulichen, wie selbstbewusst und mächtig Leesha geworden war, seit sie sich von der alten Bruna zur Kräutersammlerin ausbilden ließ.
Der Grund für die Streichung
Die Entscheidung, die Szene wegzulassen, lag voll und ganz bei mir. Weder meine Redakteurin noch irgendein Testleser oder sonst jemand hatte mir dazu geraten. Ich musste einfach
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