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Der Große Basar: Roman

Titel: Der Große Basar: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter V. Brett
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verputzte. Erst in acht Stunden würde es dunkel werden, deshalb konnte er vier Stunden lang in jede beliebige Richtung marschieren. Der Stand der Sonne am Himmel verriet ihm, wann er umkehren musste.
    Er trieb ein gefährliches Spiel, an dem sich keines der anderen Kinder aus Tibbets Bach beteiligte. Und nicht nur in dieser Hinsicht unterschied sich Arlen von ihnen. Alle anderen Leute gaben sich mit ihrem Leben im Dorf zufrieden und interessierten sich nicht dafür, was hinter dem nächsten Hügel lag. Auf diese Weise gingen sie kein Risiko ein. Sein Vater hielt diese Einstellung für klug, aber Arlen dachte anders darüber. Den Einwohnern von Tibbets Bach genügte es, von anderen Menschen zu erfahren, durch welche Gegenden eine Straße führte, was es im Wald oder hinter dem Fluss im Süden zu entdecken gab … falls ein solcher Fluss überhaupt existierte. Arlen begnügte sich nicht mit Berichten aus zweiter Hand, er wollte lieber alles mit eigenen Augen sehen.
    Bis wohin könnte ich es schaffen, wenn ich den ganzen Tag lang Zeit hätte?, grübelte er unentwegt. Wenn ich morgens nicht auf dem Hof arbeiten müsste, nicht jedesmal gezwungen wäre, an einem bestimmten Punkt
kehrtzumachen, um rechtzeitig vor dem Abend wieder zu Hause zu sein? Könnte ich einen sicheren Unterschlupf erreichen, ehe sie kommen? Der Gedanke erregte und ängstigte ihn zugleich. Was mochte ihn erwarten, wenn er den Augenblick, in dem eine gefahrlose Heimkehr noch möglich war, verstreichen ließ und einfach immer weiterrannte?
    Vielleicht probiere ich es heute aus.
    Aber wenn die Sonne auf den Horizont zuwanderte, verließ ihn jedesmal aufs Neue der Mut, und dann merkte er, wie er sich unwillkürlich umdrehte und zurücklief.
    Sobald das Haus in Sichtweite kam, verlangsamte er sein Tempo, trotz der Rufe seiner Eltern und trotz der Angst, die in ihren Stimmen mitschwang. Um diese Stunde des Tages fühlte er sich am lebendigsten. Er beobachtete, wie die Sonne am Himmel versank und durch die Drehung der Erde langsam aus seinem Gesichtskreis verschwand. Allmählich wurden die Schatten länger. Bis zur letzten Minute verweilte er, dann hetzte er so schnell ihn seine Beine trugen zum Haus, während ein berauschendes Prickeln von Furcht ihn überschwemmte, sein Herz zum Rasen brachte und seine Hände zittern ließ. In diesen wenigen Sekunden duftete die Luft frischer, und sein ganzer Körper vibrierte. Es gab keinen schöneren Anblick als die Rot- und Orangetöne der Abenddämmerung, keine beflügelnderen Geräusche als die Warnrufe seiner Eltern. Er stolperte über die Türschwelle, vorsichtig, um kein Siegel zu verwischen, dann drehte er sich um und sah zu, wie die Horclinge emporstiegen.
    Nachdem die letzten warmen Sonnenstrahlen am Horizont verblasst waren und während der Erdboden die in ihm gespeicherte Hitze an die Luft abgab, stiegen die Flammendämonen aus dem Horc, um zu tanzen.
    Schon sehr bald wurde Arlen in das Innere das Hauses gezerrt, die schwere Tür wurde geschlossen und der wuchtige Querbalken vorgeschoben (als ob das einen Horcling abhalten könnte!). Danach begutachtete Arlens Vater noch einmal die Siegel an den Fenstern und an der Tür, um sich zu vergewissern, dass keines verwischt oder zerkratzt war. Er erklärte Arlen zwar stets, dass eine dreimalige Kontrolle genüge, doch er konnte gar nicht anders, er musste immer noch ein viertes Mal nachschauen.
    Für sein spätes Heimkommen wurde Arlen immer getadelt, mitunter setzte es sogar etwas mit dem Gürtel seines Vaters. Doch im Grunde wussten seine Eltern, dass keine Strafe ihren Sohn dazu bewegen konnte, seine Ausflüge einzustellen.
    Nach der Bestrafung aß die Familie zu Abend, und später, wenn seine Mutter sich mit einer Strickarbeit beschäftigte und sein Vater Siegelpfosten schnitzte, durfte Arlen am Fenster sitzen und die Horclinge beim Tanzen beobachten. Sie sahen so anmutig aus, sogar schön. Manchmal erhaschte er einen Blick auf einen Winddämon, ein schemenhafter Umriss, der auf ledrigen Schwingen von oben herabstieß, beleuchtet von den glühenden Mäulern und Augen seiner feurigen Vettern.
    Weniger hübsch anzusehen aber zum Glück auch weniger häufig waren die Felsendämonen; ihre massigen,
kräftigen Körper steckten in einem Panzer, an dem selbst die stärkste Speerspitze zerbrach. Anstatt zu tänzeln, pirschten sie langsam über den Hof, die rasiermesserscharfen Zähne fletschend und auf der Suche nach Beute.
    Arlen hatte noch nie einen Wasserdämon zu

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