Der Große Basar: Roman
sie. Er unternahm einen schwachen Versuch, sich abzuwenden, aber sie ließ es nicht zu. Sie legte die freie Hand unter sein Kinn und drückte es gewaltsam hoch, um ihn zu zwingen, ihr in die Augen zu blicken.
»Denke gründlich nach, wenn du morgen heulend auf dem Abort hockst«, riet sie ihm. »Denn wenn ich noch ein einziges Mal Brianne oder eines der Kinder behandeln muss, weil du dich an ihnen vergriffen hast, dann wirst du es bitter bereuen. Verglichen mit dem, was dir dann blüht, sind die Folgen dieses Giftes eine Kleinigkeit. Ich sorge dafür, dass deine Knochen vor Schmerzen schreien und dein erbärmlicher kleiner Schwanz
schrumpft, bis er aussieht wie eine runzlige Rosine. Du wirst am Stock humpeln, noch ehe du deinen dreißigsten Sommer gesehen hast.«
Aus entsetzt geweiteten Augen stierte Evin sie an. Schaumiger Speichel quoll aus seinem Mund, und eine Träne rollte über seine Wange.
Sie ließ ihn los und stand auf. Sein Kopf plumpste seltsam kraftlos in den Dreck zurück.
»Denke gründlich darüber nach«, wiederholte sie. Als sie sich umdrehte, stand sie Brianne gegenüber.
Sie erstarrte, als Brianne auf ihren Ehemann hinabblickte, der sich in Krämpfen am Boden wand, und danach Leesha anschaute. Ihre Blicke schienen sich eine Ewigkeit aneinander festzusaugen. Zum Schluss nickte Brianne einmal mit dem Kopf. Leesha erwiderte das Nicken, dann machte Brianne kehrt und watschelte in die Hütte zurück.
»Brianne ist mindestens in der siebten Woche schwanger«, erklärte Leesha. »Vor einer Woche erzählte sie es Evin, und kurz darauf verprügelte er sie. Dem Ungeborenen ist nichts passiert, aber bei ihr musste ich zwei gebrochene Rippen und jede Menge Blutergüsse behandeln.«
Bruna reagierte so gleichmütig, als hätte Leesha nichts Bedeutenderes verkündet, als dass es vermutlich bald regnen würde. »Sie hat dich sicher beschworen, niemandem etwas davon zu erzählen«, meinte sie dann.
»Woher weißt du das?«, erkundigte sich Leesha. Bruna wölbte eine Augenbraue und sah sie an, ohne sich jedoch zu einer Antwort zu bequemen.
»Und was hast du unternommen?«, fragte die Alte schließlich.
»Ich stach ihn mit einer Nadel, die ich in Schlupfschlangengift getaucht hatte, und drohte ihm an, beim nächsten Mal würde es ihm noch viel schlechter ergehen«, erzählte Leesha.
Bruna lachte gackernd und klatschte sich mit der Hand auf das Knie. »Das hätte ich nicht besser machen können!«, krähte sie. »Der Bengel wird sie nie wieder anrühren, und ich wette, wenn er dich das nächste Mal sieht, pisst er sich vor lauter Angst in die Hose!«
»Genau das war meine Absicht«, räumte Leesha ein und wurde rot.
»Eines Tages werden meine Kinder bei dir in guten Händen sein«, erklärte Bruna zufrieden.
»Aber hoffentlich nicht so bald«, entgegnete Leesha.
»Nun, ein Weilchen wird es wohl noch dauern«, räumte Bruna mit einer Spur von Traurigkeit ein.
Krasianisches Lexikon
Abban: Ein reicher Händler, ein khaffit , der während seiner Ausbildung zum Krieger verkrüppelt wurde.
Alagai: Horclinge, Dämonen.
Alagai’sharak: Der Heilige Krieg gegen die Dämonen.
Amit: Ein verkrüppelter dal’Sharum mit einem Holzbein, Abbans erbittertster Rivale im Basar.
Anochs Sonne: Verlorene Stadt, ehemaliges Machtzentrum des Kaji. Man glaubt, sie sei im Sand der Wüste versunken.
Asu: Sohn oder »Sohn des«. Wird als Vorsilbe benutzt, wenn der vollständige Name genannt wird.
Baha kad’Everam: Krasianisches Dorf, berühmt für seine exquisiten Töpferwaren, wurde 306 NR von Dämonen zerstört. Übersetzt bedeutet der Name »Kelch des Everam«. Die Einwohner nannte man »Bahavaner«
Basar, Großer: Handelsbezirk in Krasia. Er wird fast ausschließlich von Frauen und khaffit organisiert und besucht, da die Angehörigen der Kriegerkaste und der Geistlichkeit eine Beschäftigung dieser Art als unter ihrer Würde betrachten.
Chabin: Abbans Vater, ein khaffit .
Chin: Außenseiter/Ungläubiger. Bezeichnung gilt als schwere Beleidigung, denn damit gibt man zu erkennen, dass man die so bezeichnete Person für einen Feigling hält.
Couzi: Ein hochprozentiger krasianischer Schnaps mit Zimtgeschmack. Das Evejanische Gesetz verbietet den Genuss, aber die khaffit dürfen ihn herstellen und an die chin verkaufen. Trotzdem blüht der Schwarzhandel mit diesem Getränk, denn schon ein kleines, leicht zu versteckendes Fläschchen kann mehrere Menschen in einen Rausch
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