Der große Blowjob (German Edition)
einfach zu mir, wie meine Haare etwa. Kurz überlege ich, ob ich das birkenartige Saft-Girl anmachen soll. Lieber nicht, weil die Chancen gut stehen, dass sie ja sagt.
Nach dem Gym beschließe ich, heute zur Abwechslung mal mit der U-Bahn zur Arbeit zu fahren. Sonst rufe ich mir immer einen Wagen. Wie ich vielleicht schon erwähnt habe, wohne ich in Brooklyn, unweit der Williamsburg Bridge, in einem loftartigen Apartment in einem nagelneuen Hochhaus am Fluss namens Krave. In der Regel lasse ich mich zur Agentur fahren, weil ich es ziemlich weit habe zur U-Bahn-Station am Ende der Bedford Avenue, mit dem Auto ist es einfach bequemer. Davon abgesehen steht mir laut Arbeitsvertrag die unbegrenzte Nutzung des Star Corporate Limousine Service zu. Heute aber hatte ich mal Lust, an die frische Luft zu gehen, es war nämlich schönes Wetter, aber das kam mir eher wie ein Vorwand vor, weil schönes Wetter für mich sonst nicht unbedingt ein Grund ist, mich im Freien aufzuhalten. Das Wetter an sich war mir völlig egal; falls ich Lust hatte, draußen zu sein, oder aus irgendeinem anderen Grund an die frische Luft wollte, machte ich das meistens möglich, so einfach war das. Das Wetter spielte dabei kaum eine Rolle, sondern lieferte mir höchstens ein Alibi. Denn wenn mir die Frage in den Sinn kam: «Warum nimmst du die U-Bahn, Eric?», hätte ich für mich selbst gleich eine einfache Begründung parat, nämlich das schöne Wetter.
Nachdem ich zwei von insgesamt elf Blocks auf meinem Weg zum L-Train hinter mir habe, wird mir klar, warum ich das nicht sehr oft mache. Ein wahrer Strom modischer junger Leute, alle weiß, eine demographische Untergruppe, die von den bei Tate für die Mediaplanung zuständigen Inselbegabten wohl als «Kreativklasse» bezeichnet würde, wälzt sich in Richtung U-Bahn. Ich hasse diese Leute nicht, die in irgendwelchen Kreativberufen tätig sind – wie auch, ich gehöre schließlich dazu. Meine Einstellung zu ihnen ist eher indifferent, würde ich sagen. Sie sind Teil einer Art vorübergehender Zuwanderung, sie sind das Produkt bestimmter wirtschaftlicher Rahmenbedingungen. Nach etwa der Hälfte des Weges fühle ich mich von der Flut, in der ich mitschwimme, so erschöpft, dass ich dringend eine Pause brauche. Am Vorabend habe ich acht oder neun Gläser eines mit Safran abgerundeten Cocktails aus Apfel-Ingwer-Absinth, Cognac und Wodka gekippt, der Name ist mir entfallen, kann sein, dass er Karibu-Flüsterer hieß, Ragamuffin oder Schamhaartoupet-Schnüffler, und mir ist immer noch irgendwie übel. Ich rette mich in ein Café namens Silhouette, das aus irgendeinem Grund von jungen Franzosen gemischtrassiger Herkunft aus Paris frequentiert wird, die wegen des günstigen Dollarkurses in Brooklyn wohnen. Ich bestelle mir einen Kopi Luwak, Katzenkaffee, für sechsundzwanzig Dollar und ein Schälchen frische Beeren für zwölf Dollar. Ich habe zwar überhaupt keinen Appetit, aber irgendwie scheinen mir frische Beeren eine gute Idee zu sein, eine sinnvolle Idee, eine sinnvolle Art, meinen Morgen zu beginnen, obwohl mein Morgen schon Stunden zuvor begonnen hat, zu einem schlaflosen und nicht weiter bemerkten Zeitpunkt irgendwann zwischen Nacht und Tag. Zuerst kriege ich den Katzenkaffee, ich trinke einen kleinen Schluck und frage mich, ob er, statt von irgendwelchen Katzen gefressen und wieder ausgeschissen worden zu sein, nicht vielleicht einfach nur angebrannt ist. Dann werden mir frische Beeren von lokalen Erzeugern vorgesetzt. Als ich sie sehe, wird mir klar, dass ich sie nicht essen werde. Ich sitze da und sehe aus dem Fenster auf die hübschen kleinen Fischlein, die draußen im Strom vorüberwimmeln, unterwegs zu ihren aufregenden Jobs in der Modebranche, in der Kunstwelt oder beim Reality- TV , und plötzlich geht’s mir gar nicht gut. Was ist los?, frage ich mich und beantworte mir die Frage mit lauter Stimme. «Keine Ahnung, Eric», sage ich. «Keine Ahnung, was los ist.»
Und ich weiß es wirklich nicht. Gewisse, relativ verbreitete Krankheiten, die meisten davon psychischer Art, wurden schon vor längerem bei mir diagnostiziert, aber das erklärt nicht, wieso ich seit fast drei Tagen nichts mehr gegessen habe, seit dem Abend, an dem ich ihr begegnet bin.
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bindet draußen auf dem Gehweg gerade ihren Shih Tzu an einem Fahrrad fest, und
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